Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 321
nehmen. Da habe er wenig zu tun und könne dabei das Ganze leiten.
Die Stellung als Minister ohne Portefeuille sei für Grévy nachteilig.
Denn dann sei Gambetta faktisch Präsident der Republik, und es bleibe
nichts für Grévy. In der Extraditionsfrage sagte St. Hilaire, daß das
Ministerium sich dahin geeinigt habe, daß man im Exposé des motifs
darlegen müsse, daß Mord kein politisches Verbrechen sei.
Grévy, den ich nachher besuchte, sagte: „Eh bien! ici nous sommes
dans Penfantement.“ Er billigt, daß die Minister ihre Politik vor den
Kammern verteidigen würden. Eigentlich sehe er gar nicht ein, was man
dem Ministerium in der tunesischen Frage vorwerfen könne. Die Ex-
pedition sei notwendig gewesen. Alles sei gut gegangen. Vielleicht sei die
Militäradministration nicht ganz gut gewesen, das wisse er nicht. Beust
hält die Lage für unbedenklich, glaubt aber nicht, daß der Optimismus
Grévys begründet sei.
Paris, 1. November 1881.
Blowitz kam heute. Nach einleitenden Worten berührte er den Gegen-
stand, der ihn zu mir geführt hatte. Er sagte: „Gambetta n'a pas été
à Varzin?“ und machte dazu ein schlaues Gesicht, als wollte er sagen:
Ich weiß, daß er da war. Darauf erwiderte ich: „Nein, er war nicht
da.“ Und als er mich erstaunt ansah, fügte ich hinzu: „Der Fürst würde
Herrn Gambetta sehr gern empfangen haben, wenn er nach Varzin ge-
kommen wäre. Er ist aber nicht hingegangen.“ Blowitz darauf: „Mais
alors son voyage était une betise! Comment, il s’expose à étre in-
sulté en Allemagne“ u. s. w. Blowitz gibt Gambetta zwei Jahre, dann
sei er abgenutzt.
Paris, 2. November 1881.
St. Vallier, der sich auf heute bei mir angemeldet hatte, kam um
5 Uhr. Es war ihm daran gelegen, über sein Verbleiben in Berlin mit
mir zu reden. Er sagte, für ihn handle es sich um zwei Erwägungen,
erstens, ob er nach der Anschauung der deutschen Regierung nach dem
Eintritt Gambettas in das Ministerium dort noch auf Vertrauen in die
friedlichen Absichten der französischen Regierung rechnen könne, und dann,
ob die Zusammensetzung des Ministeriums ihm das Verbleiben ermögliche.
Was den ersten Punkt betreffe, so sei er überzeugt, daß Gambetta eine
friedliche und keine Revanchepolitik treiben werde. Gewinne er eine andre
Ueberzeugung, so werde er nicht bleiben, denn er könne nur eine Politik
des Friedens vertreten. Entziehe also Fürst Bismarck der französischen
Regierung nach Gambettas Eintritt sein Vertrauen nicht, so sei sein Ver-
bleiben möglich. Was den zweiten Punkt betrifft, so sei es für ihn selbst-
verständlich, daß er nicht eine Regierung vertreten werde, die ein Ministerium
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 21