Im Reichstage (1870 bis 1874) 25
quartier wünschen, er möchte kommen, um dem König Wilhelm an der
Spitze der deutschen Fürsten die Kaiserkrone anzubieten, doch ist das nicht
sicher. Ich würde ihm abraten, es zu tun, und habe es auch Eisenhart
sagen lassen. Das würde ihn vor Europa lächerlich machen. Es sei denn,
daß er für diese Demonstration irgendeinen reellen Gewinn einstecken
könnte, d. h. irgendeine positive Konzession herausschlüge. Dann könnte
er am Ende als Gegenleistung die Komödie spielen.
Eben waren Barth und Margquardsen bei mir. Sie berichteten über
ihre Verhandlungen mit Lasker und Bennigsen. Diese machen Bayern die
Konzession bezüglich des Malzaufschlags, der Eisenbahnen und Telegraphen=
verwaltung und der Heeresführung im Frieden. Das Nähere bekomme ich
noch, da mir Barth das Protokoll mitteilen will. Die Ultramontanen
werden wahrscheinlich ihre in der neulichen Beratung von Abgeordneten
ihrer Partei festgesetzte Resolution, die gegen den Eintritt in den Nord-
bund lautet, veröffentlichen. Dann erhält die Fortschrittspartei eine Hand-
habe, um das Ministerium zu fragen, ob es diese Politik teile, und wenn
nicht, ob es die Kammer auflösen wolle. „Damit gewinnen wir Boden
zu weiterer Agitation,“ sagten Barth und Marquardsen. Die Idee des
„weiteren Bundes"“ ist vollkommen unpraktisch, nachdem Baden jedenfalls
und Württemberg wahrscheinlich in den Norddeutschen Bund eintreten
werden. Bismarck rechnet auf unfre Isolierung und berechnet sehr schlau,
daß er uns dann ohne Konzessionen hineinzwängen wird. Er läßt deshalb
den bayrischen Ministern das harmlose Vergnügen, unpraktische Entwürfe
auszudenken, die er schließlich zurückweisen wird, besonders wenn man hier
wie bisher keine Persönlichkeiten mit bestimmten Aufträgen und Instruktionen
ins Hauptquartier schickt, sondern Sauer und Tauffkirchen ohne Auftrag
handeln. Bray oder Lutz sollten selbst hingehen; sie wollen aber nicht.
Ich werde, wenn der König in das Hauptquartier geht, was sehr
zweifelhaft, suchen mitzukommen.
München, 17. Oktober 1870.
Nachdem Delbrück von hier weg ist, scheint sich die Lage nicht viel
verändert zu haben. Eine Antwort auf die Vorschläge der bayrischen
Regierung ist noch nicht gekommen.
Bismarck scheint aber nicht ganz mit jenen Vorschlägen zufrieden zu
sein. Wenn die Antwort kommt, so meint Barth, den ich heute sprach,
würde ein wirkliches Projekt ausgearbeitet, dieses unter den Regierungen
vereinbart und dann in Berlin dem Reichstag und hier und in den übrigen
süddeutschen Staaten den Kammern zur Annahme vorgelegt werden. Nun
hat die Regierung die Absicht, die alte Kammer der Abgeordneten wieder
einzuberufen. Ich machte nun Barth darauf aufmerksam, daß dies von