322 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Floquet oder dergleichen bilde. Ich antwortete ihm, daß die deutsche
Regierung mit dem Ministerium Gambetta, das sich als eine für Frank-
reich unabweisbare Notwendigkeit darstelle, die guten Beziehungen wie
bisher aufrechterhalten werde. Ich sei nicht beauftragt und nicht berufen,
in betreff des Berliner Botschafterpostens Wünsche auszusprechen. Ich
könne ihm aber, da er mich danach frage, erklären, daß wir uns freuen
würden, mit ihm ferner geschäftliche Beziehungen zu haben. In betreff des
zweiten Punkts müsse ich sein Urteil als maßgebend ansehen. St. Vallier
bat, dem Fürsten zu schreiben, daß er sich nicht direkt an ihn habe
wenden wollen, um ihn nicht mit der Bitte einer Aeußerung zu behelligen.
Er sei aber durch meine Aeußerung vollständig zufriedengestellt. Ob frei-
lich Gambetta nicht vorziehe, „de se débarrasser de moi“, sei eine Frage,
die er heute noch nicht entscheiden könne.!)
Paris, 4. Dezember 1881.
Gestern erstes Diner bei Gambetta.:) Es war das ganze diplo-
matische Korps geladen. Gambetta empfing uns an der Tür des Salons.
Ich saß neben dem Nunzius, der die Stelle der Hausfrau gegenüber von
Gambetta einnahm, und dem neuen Minister des Innern, einem jungen
Mann von gutem Aussehen und angenehmer Konversation.3). Gambetta
saß zwischen Loons und Orlow. Das Essen war im Hause von Trom-
pette, dem berühmten Chef, gemacht und nicht, wie sonst in den Mini-
sterien, bei Potel & Chabot. Es war deshalb auch sehr gut und hat
mir keine Magenbeschwerden verursacht, wie dies bei andern offiziellen
Diners der Fall ist. Nach Tisch Konversation mit Spuller.1) Dann mit
Gambetta. Dieser sagte, er verstehe die Opposition nicht, die man dem
Reichskanzler in der finanziellen Politik mache, die ja doch die Einheit des
Reiches befestigen müsse. Ich sagte ihm, die Opposition, sowohl Fort-
schritt wie Zentrum, seien Gegner der Reichseinheit, Föderalisten. Das
war ihm neu, und da erst begriff er deren Politik. Ueber die Rede des
Reichskanzlers 5) sprach er seine ganze Bewunderung aus, namentlich über
das, was der Fürst über den Dank gesagt hat.
1) Nach der Bildung des Ministeriums Gambetta am 14. November gab
St. Vallier seine Demission.
2) Das Ministerium Ferry hatte am 10. November demissioniert. Am
14. November war das Ministerium Gambetta gebildet. Gambetta war Minister-
präsident und Minister des Aeußern.
3) Waldeck-Rousseau.
4) Gambettas Freund, Unterstaatssekretäl im Ministerium des Aeußern.
5) Bei der Debatte am 28. November über den Beitrag des Reichs zu dem
Zollanschluß Hamburgs. Bismarck hatte gesagt: „Mir ist niemand Dank schuldig,