Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 327 
Paris, 13. Mai 1882. 
Beust, der heute bei mir war, kam auf seine Abberufung zu sprechen 
und sagte, es sei sehr dumm gewesen, ihn abzuberufen. Man fürchte in 
Wien seine Memoiren, nun habe er Zeit, sie zu schreiben, hier würde er 
keine Zeit gehabt haben. Außerdem werde sich alles, was oppositionell 
sei, an ihn herandrängen. Er sei im Herrenhaus, könne also eine poli- 
tische Tätigkeit ausüben. Es fiel mir auf, daß er von sich selbst wie von 
einem dritten, von einem außer ihm stehenden schlechten Kerl sprach. Sein 
höhnisches Lachen, während er sprach, und die ganze Mitteilung machten 
mir einen sehr widerlichen Eindruck. 
Paris, 23. Juni 1882. 
Die ägyptische Frage hat mich in den letzten acht Tagen lebhaft be- 
schäftigt.!) Am vergangenen Sonntag ging ich zu Freycinet, um mich zu 
erkundigen, wie die Konferenz stehe. Er hatte günstige Nachrichten, nur 
wußte er nicht, wer die Einladungen erlassen solle. Ich sagte: „Doch die 
Mächte, die den ersten Gedanken der Konferenz gehabt haben.“ „Das sind 
Frankreich und England,“" sagte Freycinet. „Also," erwiderte ich, „müssen 
diese beiden Mächte einladen.“ Das leuchtete Freycinet ein. Dann fragte 
er, wann die Konferenz beginnen solle. Ich meinte erst den 25., das war 
Freycinet zu spät, er schlug Freitag den 23. vor. Ich meinte, das sei ein 
Unglückstag, er solle lieber Donnerstag den 22. vorschlagen. Das war 
ihm recht, und er bat mich, in Berlin anzufragen, ob man dort mit dem 
Einladungsmodus und Tag einverstanden sei. Ich ging nun in die Kirche 
und dann nach Hause, telegraphierte an den Reichskanzler und erhielt 
schon um 6 Uhr die kurze Antwort, daß er mit allem, was wir vor- 
geschlagen hatten, einverstanden sei. Nun ging ich gleich ins Ministerium, 
da war aber kein Minister, kein Chef de cabinet, überhaupt niemand. 
Nun ging ich wieder nach Hause, und da ich Abends bei Blest-Gana aß, 
ließ ich früher anspannen und fuhr erst zu Freycinet nach Passy und von 
da zum Diner in der Avenue de la Grande Armbe. Das Diner war 
originell, dann Soiree. Die darauf folgenden Tage waren noch allerlei 
Schwankungen, bis endlich heute die Konferenz begonnen hat. Ob sie 
viel ausrichten wird, ist zweifelhaft. Waddington, den ich gestern sprach, 
ist sehr unzufrieden mit der Schwäche der französischen und englischen 
Regierung und sagt, auf diese Weise verlören die Mächte jedes Prestige 
bei den Mohammedanern. Jetzt ist es schwer, etwas zu machen. Die 
Westmächte hätten schon vor einem Jahre in Aegypten Ordnung machen 
sollen. 
  
1) Frankreich und England hatten eine Konferenz der Botschafter in Kon- 
stantinopel zur Regelung der ägyptischen Frage angeregt.
	        
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