Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 329 
mung geben. Wenn die Franzosen von den Engländern freie Hand in 
Syrien verlangen, so ist uns das gleichgültig. Ueberall sollen die Fran- 
zosen tun, was sie wollen, wenn sie nur vom Rhein fern bleiben. 
Ueber Courcel 1) äußerte er sich ungünstig. Er sei zu leidenschaftlich 
und ausfallend. Wenn wir nicht so rücksichtsvoll für Frankreich wären, 
so hätte sein Benehmen schon Anlaß zu Zerwürfnissen gegeben. Ich 
fragte, ob sich dies auch auf die Frage des europäischen Mandats beziehe, 
was Bismarck bejahte. Er meinte, daß wir kein Mandat geben können, 
ohne kompromittiert zu werden. Wir hätten kein Urteil zu fällen über 
das, was die Großmächte tun, sondern müßten vor allem Interessen- 
politik treiben. 
8. November. 
Der Fürst erwähnte heute Turgenjew und meinte, er sei der geist- 
vollste Schriftsteller aller Nationen unter den heute lebenden Schriftstellern. 
Abends lange Unterredung bei der Pfeife. Bismarck trug mir auf, 
St. Vallier seine Grüße auszurichten und ihm zu sagen, „que nous le 
regrettons“. In bezug auf die französischen Dinge sagte er, daß wir 
ruhig zusehen, wenn irgendwo die englische und die französische Lokomotive 
ineinander fahren. Im übrigen bleiben wir bei unfrer wohlwollenden 
Haltung, ignorieren etwaige Kläffereien des Chauvinismus und erklären den 
Franzosen, daß wir sie nie bedrohen werden, auch wenn sie in Kalami- 
täten geraten sollten, solange sie vom Rhein fern bleiben. Sie können 
in der Welt tun, was sie wollen. Die Republik ist uns genehm. In 
der Monarchie sehen wir die Aussicht auf den Krieg. Greifen sie uns 
an, so werden wir uns verteidigen. Ja, es kann sein, daß wir sie an- 
greifen, wenn uns die Monarchie bedrohlich erscheint. 
Paris, 15. November 1882. 
Vorgestern Abend Rückkehr nach Paris. Gestern viele Besuche 
empfangen. Heute bei Duclerc.“) Er sprach von der ägyptischen Frage, 
sagte, daß Aussicht auf Verständigung mit England vorhanden sei, und 
ist sehr erfreut, daß die andern Mächte England nicht zu ungemessenen 
Jorderungen ermutigt hätten. Die Sache sei noch nicht abgeschlossen. Es 
komme ihm nicht auf die Form an, aber Frankreich habe ein Interesse, 
  
1) Baron de Courcel, früher Direktor der politischen Abteilung im Ministerium 
des Aeußern, war am 28. Dezember 1881 zum Botschafter in Berlin ernannt worden. 
2) Das Kabinett Freycinet war am 29. Juli zurückgetreten, da die Kammer den 
für die Besetzung des Suezkanals geforderten Kredit abgelehnt hatte. Am 8. August 
wurde das Kabinett Duclerc gebildet. Duclerc übernahm das Präsidium und das 
Aeußere.
	        
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