Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

26 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
den Ministern aus dem Grund geschehe, um durch die Kammern Schwierig- 
keiten gegen das von ihnen selbst vorgelegte Projekt erheben zu lassen, um 
sich dann darauf zu berufen, daß man ja das Seinige getan, oder daß 
die Minister durch die Kammern das Ganze so modifizieren lassen, daß 
es Preußen dann nicht mehr annehmen und wir dann ganz von selbst 
isoliert sein würden. Barth sagt dagegen, das sei möglich, aber seine Partei 
werde genau aufpassen und in diesem Falle auf Auflösung der Kammer 
dringen. Die Gewalt der Tatsachen werde so mächtig werden, daß daran 
die kleinlichen Intrigen scheitern müßten. Es ist möglich, daß er recht 
hat, ich fürchte aber, daß zwischen Schlör, Lutz und der ultramontanen 
Kammer noch manche Intrige angesponnen werden wird. 
Der Landtag wird Mitte November zusammentreten. Die Minister 
hoffen sich mit den Ultramontanen zu verständigen. Sie wollen das Budget 
für 1871 zustande bringen. 
18. Oktober. 
Es scheint nun bestimmt zu sein, daß Bray und Pranckh ins Haupt- 
quartier gehen, um die deutsche Verfassungsfrage zu besprechen. Es soll 
ein Handschreiben des Königs, in welchem der Kaisertitel dem König von 
Preußen angeboten wird, mitgenommen werden. Der König tut alles, 
wenn man ihn nur in Berg ruhig läßt. Im übrigen scheint man aber 
über die einzelnen Bestimmungen der künftigen deutschen Verfassung keines- 
wegs im klaren zu sein. Werthern und die Redaktion der „Neuesten 
Nachrichten“ drängen. Die Minister tun alles, um nur ihre Stellen zu 
behalten. Eine politische Ueberzeugung und klare Pläne finde ich nirgends. 
Man wird die Dynastie im Stich lassen von seiten der Bureaukratie, um 
sich mit Preußen gut zu stellen, von seiten der Armee, um eine gute 
Stellung zu den norddeutschen Kameraden zu haben, und von seiten des 
Volks, das den König wegen seiner Untätigkeit nicht achtet. So wird 
Bayern ganz leise in das künftige Deutsche Reich eingefügt, was unter den 
obwaltenden Umständen nicht zu beklagen ist. Allerdings ist nichts andres 
zu machen. Aber man konnte es mit etwas mehr Würde tun. 
München, 28. November 1870. 
Durch eigentümliche Umstände bin ich in die Lage gekommen, über 
die letzten Vorgänge in Versailles genaue Nachrichten zu erhalten, die ich 
hier aufschreiben will, soweit ich dieselben nach dem gehabten Gespräche 
wiedergeben kann. 
Ueber die Besprechungen zwischen Thiers und Bismarck folgende 
Anekdote: Bismarck beklagte sich, daß die Franzosen zu ihrer Hilfe bar- 
barische Volksstämme beigezogen hätten. Hierauf erwiderte Thiers, daß 
ja auch Preußen die Ulanen aufgeboten habe, in welchen Thiers auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.