Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 337
viele insignifiante Herren. Die Musik bestand in der Produktion eines
Klaviervirtuosen, Macalauso heißt er, wenn ich nicht irre. Ein ordinär
aussehender Mensch, der nur seine Kompositionen spielte. Diese bestanden
darin, daß er erst zehn Minuten ganz leise und als könne er kaum die
Finger rühren, auf den Tasten herumkroch, dann mit einem fünf Minuten
dauernden sinnbetäubenden Getrommel endete, was um so willkommener
war, als beim ersten Teil dank der Hitze die ganze Gesellschaft am Ein-
schlafen gewesen war. Ich führte eine legitimistische Dame, dame d’hon-
neur de la Comtesse de Chambord, zum Büfett und verschwand um
11½ Uhr.
Gestern nach Tisch, als ich im Garten saß und in der Dämmerung
las, sah ich plötzlich unter meinem Tisch eine Ratte. Ich hatte aber
keine Pistole zur Hand. Bis jetzt habe ich nur eine erlegt, die ein Jammer-
geschrei ausstieß, welches mein Mitleid erregte.
Blowitz bringt heute einen Artikel, in welchem er bei Besprechung
der verschiedenen Minister der auswärtigen Angelegenheiten auch meiner
Erwähnung tut und sagt: „That great and honest friend of peace
and mutual toleration, who has for France all the affection consistent
with his position and duty.“ Challemel-Lacour1) kommt bei seinem
Artikel schlecht weg. Er behauptet, die Diplomaten haßten ihn. Ich weiß
davon nichts. Mir war er stets sympathisch.
Paris, 2. Juli 1883.
Blowitz war bei mir, um mit mir über die Nachricht von der Er-
krankung des Grafen von Chambord zu sprechen. Er will einen Artikel
schreiben und, wie es scheint, für die Orleans Propaganda machen. Er
fragte mich, ob wir in den Orleans eine größere Gefahr für den Frieden
sähen als in der Republik. Ich bejahte dies bestimmt. Das war Blowitz
unangenehm, da er eine Kampagne zugunsten der Orleans zu machen Lust
hat. Aber er resignierte sich und sagte, vom deutschen Standpunkt
möchten wir recht haben. Er sagte, er habe bestimmten Grund, anzu-
nehmen, daß die Prinzen von Orleans kein Manifest erlassen würden.
Täten sie es, so sei ihre Ausweisung sicher. Wenn die Republik sie, ohne
daß sie etwas täten, auswiese, so wäre das ein großer Fehler. „Ich
glaube,“ setzte er hinzu, „eben weil es eine Dummheit ist, wird es die
republikanische Regierung tun.“ Dann sprach er von Challemel-Lacour
und seinem Artikel gegen diesen. Er behauptet, Challemel-Lacour sei eine
Gefahr für Frankreich. Er sei in England so verhaßt, sei so un-
angenehm im Verkehr mit den Diplomaten, daß auch Lord Lyons
1) Minister des Aeußern im Ministerium Ferry.
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkelten. II 22