Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 339 
sie die Zuhörer einlud, zu Jesus zu kommen und das fündhaste Leben auf- 
zugeben. Dann wurde wieder ein cantique gesungen, und hierauf trat 
ein ärmlich aussehender Mann im Ueberrock, etwa vierzig Jahre alt, vor 
und hielt eine ähnliche Rede, worin er von der Sklaverei der Sünde 
sprach, von der er sich nun befreit habe, seitdem er zu Jesus gekommen 
sei. Alles sehr ernst und aufrichtig vorgetragen. Dieser Redner war ein 
Franzose. Hierauf kam ein junger Mensch und erzählte, daß er einige 
Zeit bei der Armée du Salut in Genf gewesen sei und daß er Grüße 
der dortigen Freunde bringe. Nun wieder ein cantique. Dann kam eine 
Dame in Uniform und hielt in ziemlich ausgesprochen deutschem Akzent 
eine Rede und Ermahnung, sich zu bekehren. Jesus habe sie auch in 
seinem Blut gewaschen, und sie sei glücklich. Ihr folgte ein ziemlich 
schmutzig gekleideter junger Mann, ein Kommis vielleicht, der ebenfalls 
erklärte, sich von der Welt abgewendet zu haben, und die Anwesenden auf- 
forderte, der Sünde zu entsagen. Dann wieder Gesang. Endlich wurde 
angekündigt, daß Miß Charleston sprechen werde. Diese war eine hübsche 
kleine Person, kaum zwanzig Jahre alt, mit blassem Gesicht. Ihre Rede 
war dasselbe mystisch-pietistische Amalgam, aber sie trug das so bescheiden 
und nett vor, daß sie allgemeinen Beifall erntete. Nach einigen Gesängen 
und Reden erwähnte eine junge Dame in Uniform mit einer etwas roten 
Nase und mit einem Gesicht, als wenn sie sehr verschnupft wäre, daß 
Miß Booth oder, wie sie sagte, „Ia Maréchale“, krank sei und daß man 
für sie beten solle. Gerade Miß Booth hätten wir gern gehört, sie leitet 
das Pariser Komitee der Armée du Salut und ist die Tochter des Mister 
Booth in London. Ferner teilte jene junge Dame mit, daß nun der 
zweite Teil der Feier beginne, an dem nur die Anteil nehmen möchten, 
die sich bekehren wollten. Da dies nicht unfre Absicht war, so gingen 
wir weg. Die Zuhörer waren unterdes sehr zahlreich geworden. Außer 
einigen Leuten der gebildeten Klassen, die aus Neugierde gekommen waren, 
sah ich viele Arbeiter und ihre Familien, wahrscheinlich Leute aus der 
Nachbarschaft, die nicht wußten, was sie sonst am Sonntag Abend tun 
sollten. Einige schienen bekehrt und andächtig, anständig und ruhig waren 
alle. Die Gesänge waren begleitet von einer Trompete, die von einem 
männlichen Mitglied der Armee in Uniform geblasen, und von einer Violine, die 
von einer jungen Dame in Uniform gespielt wurde. Die Melodien waren 
ziemlich heiterer Natur. Wunderbar ist die Sicherheit, das Selbstbewußt- 
sein und die Aufrichtigkeit der Gesinnung, die bei allen diesen weiblichen 
Offizieren zutage tritt. Daß sie ärmlich aussehen, mag wohl dazu bei- 
tragen, ihren Worten mehr Eingang bei den ärmeren Klassen zu ver- 
schaffen. Ich habe selten etwas Merkwürdigeres gesehen als diese Soiree 
bei der Armée du Salut in Paris.
	        
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