Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

340 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Paris, 23. August 1883. 
Courcel, der von Berlin hierher gekommen ist, sprach heute mit mir 
über den Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“. 1) Er ist sehr 
entsetzt und erblickt darin eine Drohung. Ich sagte ihm, mich wundere 
der Artikel gar nicht, ich habe ihn erwartet und könne auch nicht sagen, 
daß er ungerecht sei. Courcel behauptet dagegen, es sei unrichtig, wenn 
der Artikel alle Franzosen in einen Topf werfe, während es doch nur ein 
kleiner Teil der Presse sei. Ich erwiderte ihm, daß die ganze Presse 
ohne Ausnahme Revancheartikel schreibe und zitierte ihm einige. Ich 
hätte mein möglichstes getan, die Artikel als vereinzelte Erscheinungen hin- 
zustellen und hätte auch auf die deutschen Korrespondenten abwiegelnd ein- 
zuwirken gesucht, aber es sei doch nachgerade sehr stark geworden, und 
der Artikel sei nicht ungerecht. 
Courcel sagte, Frankreich sei durch die neue Formation der Grenze 
stets bedroht. Wir könnten von Metz aus gleich vor Paris stehen. Das 
beunruhige und könne sogar so weit führen, daß die Franzosen aus Ver- 
zweiflung losschlügen. Jedenfalls könnten sie nicht daran denken, Krieg 
mit uns anzufangen. Courcel sagt, Challemel-Lacour sei sehr „blessé“ 
durch den Artikel, ebenso wie durch den im vergangenen Winter über die 
Tripelallianz. Die deutsche Presse sei viel heftiger als die französische. 
Gastein, 6. September 1883. 
Abreise von Aussee den 5. um 1 Uhr. Im Aussichtswagen fand 
ich ziemlich viel Leute, darunter den rumänischen Minister Bratiano. In 
Lend fand ich meinen Wagen und fuhr gleich weiter. Es war eine kalte 
Fahrt. Ich kam gegen ½10 Uhr in Gastein an und schrieb ein paar 
Worte an Herbert Bismarck, der dann auch kam und mir sagte, daß mich 
sein Vater den andern Tag 12¼ Uhr sehen werde. Wir sprachen von 
allerlei, von den Franzosen, den Engländern und Russen, von den 
Rüstungen der letzteren, von der Opposition des Fürsten Alexander gegen 
Rußland. Ich legte mich um 11 Uhr zu Bett, träumte allerlei Schreck- 
liches und wachte um 6 Uhr auf. Ich zog mich an, nahm ein Bad und 
ging in der Wandelbahn frühstücken. Später vor dem Hotel fand ich Beust, 
mit dem ich spazieren ging. Um ½1 Uhr ging ich zu Bismarck. Ich 
fand ihn magerer geworden, aber wohlaussehend und geistig unverändert. 
Er war entrüstet über die „Times“-Artikel, die Frankreich gegen uns 
  
1) Aus Anlaß des Vorgehens der Straßburger Regierung gegen den Tierarzt 
Antoine in Metz war in der französischen Presse eine allgemeine Deutschenhetze 
ausgebrochen. Dagegen wendete sich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ am 
22. August mit einem drohenden Hinweis auf die Gefährdung des Friedens durch 
die maßlose Heftigkeit der französischen Revanchegelüste.
	        
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