Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 27 
einen wilden Volksstamm sah. Bismarck bemühte sich, ihm zu erklären, 
daß dies Soldaten wie die andern seien, die sich nur durch die Waffe und 
den Schnitt der Uniform auszeichneten, fand aber bei Thiers keinen 
vollen Glauben. 
Thiers kam nach Versailles mit der echt französischen Erklärung, daß 
nur auf den Wunsch der fremden neutralen Mächte Frankreich sich zu 
Verhandlungen über den Waffenstillstand herbeilasse. Worauf Bismarck 
ihm kategorisch bemerkte, mit den Neutralen hätte Preußen schon selbst 
Verbindung und bedürfe zu diesem Zweck nicht der Vermittlung der fran- 
zösischen Regierung. Thiers solle einfach erklären, ob die französische 
Regierung die Verhandlung über den Waffenstillstand wünsche oder nicht, 
was dann Thiers bejahte. . 
Mitte November war Bismarck sehr aufgeregt über den Einfluß von 
Moltke und insbesondere von Tresckow auf den König, weil dadurch die 
politische Aktion gelähmt würde. Nachher scheint sich das gebessert zu 
haben. 
Ueber Bayern und Württemberg war Bismarck damals sehr auf— 
gebracht. Er warf Bayern vor, daß es die Kaiserfrage zum Schein an- 
geregt habe und jetzt weitgehende Zugeständnisse verlange. Bray war ein- 
mal auf dem Punkt, abzureisen. Besonders genierte Preußen die Forde- 
rung der eignen Armee, der völkerrechtlichen Vertretung und die Teilnahme 
an der auswärtigen Politik durch Kontrolle; alles Punkte, die später zu- 
gegeben wurden. 
Merkwürdig ist die Abneigung des Königs Wilhelm gegen die Kaiser- 
idee. Er kann sich nur schwer dazu entschließen, mit seiner Vergangenheit 
und den preußischen Traditionen zu brechen. Nur die Erwägung, dadurch 
die militärische Einheit zu fördern und das konservative Prinzip zu stärken, 
konnte ihn damit versöhnen. Er kam in seinen vertrauten Gesprächen 
immer wieder darauf zurück, daß ihm die Annahme des Kaisertitels „ent- 
setzlich" sei. Der Kronprinz ist dafür. Die bayrischen Minister scheinen 
die Konzessionen, welche sie erhalten haben, durch das Zugeständnis erkauft 
zu haben, daß sie den König von Bayern zum Vorschlag der Annahme 
des Kaisertitels bewegen würden. Danach würde sich auch die Verfassung 
modifizieren und an die Stelle des Bundesrats zum Beispiel ein Reichs- 
rat treten. 
Erzbischof Ledochowski hat wirklich einen Auftrag des Papstes ge- 
habt. Er sollte einen Protest Preußens gegen die Okkupation Roms be- 
wirken und um ein Asyl für den Papst in der preußischen Monarchie 
bitten. Bismarck und der König waren gegen den Protest. Der König 
bemerkte dem Erzbischof, daß er als protestantischer König nicht mit dem 
Protest vorangehen könne. Täten es die katholischen Mächte, so würde
	        
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