Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 343 
nach wie vor. Wir halten gute Beziehungen zu Frankreich, die chauvi- 
nistischen Provokationen lassen wir unbeachtet, und in der Kolonialpolitik 
fördern wir die Wünsche Frankreichs. Mit Rußland gute Beziehungen. 
Bismarck hätte gewünscht, daß die Kaiserzusammenkunft stattfände. Aber 
er sei zu krank gewesen, sich deshalb in Bewegung zu setzen. Wir müßten 
vor allem die ungarischen und polnischen Hitzköpfe in Ordnung halten, 
daß die nicht gegen Rußland losgehen. Ein Krieg mit Rußland, bei dem 
wir Oesterreich unterstützen müßten, sei ein Unglück, denn wir könnten ja 
nichts gewinnen, nicht einmal die Kriegskosten bekommen. Dann würde 
der Krieg auch dahin führen, daß wir Polen bis an die Düna und den 
Dniepr herstellen müßten. Wir zwar würden Polen nicht revolutionieren, 
aber Oesterreich gewähren lassen müssen, das dann einen Erzherzog, wenn 
es einen hätte, zum König von Polen proklamieren würde. Das würde 
dann dahin führen, daß sich gegen dieses Königreich wieder eine Allianz 
der drei Kaisermächte bilden würde. So kämen wir dann wieder zum 
Dreikaiserbündnis. Aber vorläufig müsse man diese ganze Eventualität 
zu verhindern trachten. Als ich ihm von der Verstimmung der Russen 
über das Nichtzustandekommen der Anleihe bei den Berliner Bankiers und 
Bleichröders Weigerung sprach, lachte er. Das sei töricht, so zu reden. 
Rußland bekomme kein Geld, weil niemand den russischen Zuständen Ver- 
trauen schenke. Sonst würden sie Geld genug in Frankreich und England 
finden und brauchten die Berliner Bankiers nicht. 
Nachdem der Fürst etwa drei Viertelstunden bei mir gesessen hatte, 
sagte er, daß nun wieder sein Kopf heiß werde und daß er allein spazieren 
gehen müsse. Dann zeigte er mir noch einiges im Hause und ging dann 
in den Park. 
Ueber die Konsulatsfrage in Paris überläßt er mir die Entscheidung. 
Er sei gegen den Konsul in Paris gewesen. Es komme aber alles auf 
die Persönlichkeit an. Auf meine Frage, ob er nicht fürchte, daß die 
Franzosen einen Konsul in Berlin ernennen könnten, erwiderte er, das sei 
ihm gleichgültig, wir hätten ja Konsuln in Stettin u. s. w. 
Als wir uns nach einiger Zeit im Salon wieder trafen, sprach er 
von Mukhtar Pascha, der gekommen sei.!) um den Einfluß des Reichs- 
kanzlers in Anspruch zu nehmen, um die Türken gegen die englischen 
Uebergriffe zu schützen. Der Fürst hat jede solche Interzession abgelehnt 
und Mukhtar geraten, die Türken sollten sich wegen Aegyptens an Frank- 
reich wenden. In Bulgarien sollten sie sich selbst helften. Und wenn man 
ihnen mit Armenien komme, sollten sie die Engländer „envoyer promenert“ 
oder, wenn ihm das deutlicher sei, ihnen sagen „d'aller se faire f. ... 
1) Am 9. Oktober. 
 
	        
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