Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 353 
18. Dezember. 
Ich hatte mein Urlaubsgesuch rechtzeitig eingereicht und vorgeschlagen, 
daß bis zur Rückkehr des Barons Rotenhan Kiderlen die Geschäfte führen 
sollte, und wartete nun auf Antwort von Berlin. Da kam am 16. ein 
Telegramm folgenden Inhalts: „Hatzfeld eher geneigt abzuraten. Ich 
auch. Holstein.“ Das hieß, es ist nicht geraten, jetzt auf Urlaub zu 
gehen. Ich schrieb deshalb an Viktor und bat ihn, sich im Auswärtigen 
Amt zu erkundigen, was los sei, und mir zu telegraphieren; ebenso schrieb 
ich an Marie und telegraphierte den andern Tag. Gestern kam nun ein 
Erlaß, der sagt, der Reichskanzler könne mein Urlaubsgesuch nicht dem 
Kaiser vorlegen, bis Rotenhan zurück sei. Ich hätte diesen nun tele- 
graphisch zurückrufen können, aber darum handelte es sich nicht. Es lag 
andres vor, was es ratsam machte, die Reise aufzugeben. Ich schrieb 
deshalb nach Berlin und nahm mein Urlaubsgesuch zurück. Ich glaube, 
daß Fürst Bismarck nervös überreizt ist und deshalb alle seine Unter- 
gebenen schikaniert und in Schrecken setzt und daß die dann mehr hinter 
seinen Aeußerungen sehen, als wirklich dahinter ist. Das ändert aber für 
mich nichts. 
Kaiser Wilhelm an den Fürsten Hohenlohe. 
Telegramm. 
27. März 1885. 
Herzlichen Dank für Ihre so treuen Wünsche zum 22. März. Leider 
habe ich das neunundachtzigste Jahr krank betreten und dadurch große 
Störung in der Feier jenes Tags herbeigeführt. Die Fürstin hier gesehen 
zu haben, war eine wahre Freude. 
Wilhelm. 
Journal. 
Paris, 1. April 1885. 
Der Geburtstag des Kaisers am 22. verlief wie gewöhnlich. Das 
Diner von vierundfünfzig Personen war sehr heiter. Meine Rede sand 
Beifall. Man blieb bis spät bei der Zigarre zusammen. 
Seitdem Ministerkrise, Sturz Ferrys unerwartet und unmotiviert. 
Heute Diner zu Ehren des Reichskanzlers. Ich trank auf die Ge- 
sundheit des Kaisers. Herr Rumpf sprach auf Bismarck. Herr Lüdert 
las ein Telegramm an Bismarck vor, das akzeptiert wurde. Dann brachte 
Herr Grube einen Toast auf mich aus. Ich antwortete (heiser), daß ich 
die Anerkennung der deutschen Landsleute zu schätzen wisse, 1) daß es eine 
  
1) Die deutsche Kolonie in Paris hatte den Fürsten am 23. Mai 1884 — dem 
zehnjährigen Jahrestage der Uebernahme der Botschaft — durch eine Adresse und 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 23
	        
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