Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 355 
31. Mai. 
Seit gestern ist die Leiche Viktor Hugos auf einem Katafalk in DVer 
Wölbung des Arc de Triomphe aufgestellt. Heute den ganzen Tag defilierten 
Leute an dem Katafalk, und der Platz war von Tausenden von Menschen 
bedeckt. Dies nahm abends noch zu, und als ich um 9 Uhr hinkam, 
war das Gedränge schauderhaft. Die Leute waren alle in bester Laune, 
drängten sich und johlten wie auf einem Jahrmarkt und betrachteten den 
Triumphbogen, indem sie bedauerten, daß er nicht besser erleuchtet sei. 
Viele warteten wohl noch auf ein Feuerwerk. Es machte einen merkwürdigen 
Eindruck. Der Triumphbogen, von dem ein langer schwarzer Trauerflor 
herabwehte, darunter der Katafalk und das ganze Bild, das sich am mond- 
hellen Himmel abhob, und daneben das Menschengewühl, das ganz vergaß, 
daß da ein toter Mensch lag. 
Morgen wird das Begräbnis stattfinden. Ich habe mich nicht ent- 
schuldigt, da wir formell nicht eingeladen sind, sondern nur Plätze an- 
gewiesen erhalten. Aber es wäre von mir ebenso taktlos als unwürdig, 
mich bei dem Leichenzug des Dichters der „année terrible“ zu beteiligen, 
des alten eiteln Menschen, der in Bordeaux im Jahre 1871 sagte, er danke 
den Deutschen, daß sie den französischen Kaiser vertrieben hätten und hoffe, 
daß die Franzosen Deutschland denselben Dienst leisten werden. Mohren- 
heim, 1) der bestimmt erklärt hat, er werde nicht mitgehen, fragte mich 
noch am Abend, was ich tun würde, worauf ich ihm antwortete, daß ich 
nicht daran dächte mitzugehen. 
2. Juni. 
Die gestrige Trauerfeier für Viktor Hugo war großartig. Kein 
Leichenzug im eigentlichen Sinne, sondern ein Volksfest mit großem Ge- 
pränge und von einem mehr heiteren Charakter. Die Reden, welche am 
Arc de l'Etoile und vor dem Panthéon gehalten wurden, waren teilweise 
unbedeutend, teilweise geradezu Unsinn. Die ganze Bevölkerung freute sich, 
der Welt zeigen zu können, daß sie einen großen Mann begrabe und noch 
einen habe, was aber in diesem Falle mehr als zweifelhaft ist. Die Bot- 
schafter von Oesterreich und Spanien, die gleich mir sich jeder Beteiligung 
enthalten hatten, waren sehr ungehalten, daß wir in den Zeitungen als 
anwesend (und zwar in Uniform!) aufgeführt worden sind, mir ist das 
sehr gleichgültig. 
Paris, 11. Juni 1885. 
Ich hatte im Frühjahr um die Erlaubnis gebeten, auf acht bis vierzehn 
Tage nach Südfrankreich zu gehen. Als nun Ende März, wo ich die 
Reise antreten sollte, die Ministerkrisis hier eintrat, ließ ich Marie mit 
  
1) Der russische Botschafter, Nachfolger des Fürsten Orlow.
	        
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