Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 357
daß ich nicht abreise, habe er an den Kaiser gebracht, der sich mit meiner
Absicht einverstanden erklärt und gleichzeitig genehmigt habe, daß ich er-
mächtigt werde, meinen Urlaub anzutreten, sobald die Verhältnisse dies
gestatteten. Dann heißt es wörtlich: „Dabei hat Seine Moajestät der Kaiser
indessen der Ueberraschung Ausdruck zu geben geruht, daß nach Eurer
Durchlaucht früherer Aeußerung der jetzt eingetretene Aufschub unmöglich
gewesen wäre."“
Das war mir zu stark, und ich schrieb deshalb an Holstein den Brief,
der hier beiliegt.
An Baron Holstein.
Paris, 12. Juni 1885.
Verehrter Baron!
Ich bin ein Mensch von vieler Geduld, besonders wenn es sich um
Dinge handelt, die des Kaisers Dienst betreffen. Heute muß ich aber sagen,
daß der letzte Erlaß vom 9. diese Eigenschaft auf eine harte Probe stellt.
Ich erkläre, daß ich dem kaiserlichen Befehle Folge leiste, obgleich die
Tatsache, daß daraus Nachteile für mich hervorgehen, feststeht; ich lasse
meine Privatverhältnisse, wie das von mir erwartet werden mußte, vor
denen des kaiserlichen Dienstes zurückstehen, und zum Dank läßt das Aus-
wärtige Amt den Kaiser sagen, daß nach meiner früheren Aeußerung der
jetzt eingetretene Aufschub unmöglich erschienen sei. So etwas ist doch
noch nicht dagewesen. Jedenfalls glaube ich nicht, daß der Kaiser die
Bemerkung so gemacht hat, wie sie im Erlasse steht. Wie ich den Kaiser
kenne, sieht es ihm nicht ähnlich, eine derartige wie Spott lautende
Aeußerung zu tun. Dazu ist er viel zu wohlwollend. .
Ich breche hier ab, weil ich fürchte, zu bitter zu werden. Vielleicht
habe ich einmal Gelegenheit, die Betrachtungen, die diese Vorgänge mir
aufdrängen, mündlich mit Ihnen zu erörtern.
Unter dem 21. Juni 1885 schrieb in Vertretung des Staatssekretärs
Graf Herbert Bismarck an den Fürsten nach Schillingsfürst:
Nachdem Eure Durchlaucht unterm 15. d. M. die Absicht geäußert,
Ihren Urlaub nach Bayern am letzten Mittwoch anzutreten, hat der Herr
Staatssekretär nicht ermangelt, Seiner Majestät bezüglichen Vortrag zu
halten und Allerhöchstdemselben bei dieser Gelegenheit die Gründe dar-
gelegt, welche Eure Durchlaucht zur Reise nach Bayern nötigten. Seine
Majestät haben in Anerkennung dieser Gründe Allerhöchst sich mit dem
nunmehrigen Antritt Ihres Urlaubs völlig einverstanden zu erklären geruht,
wovon ich nicht ermangle Eure Durchlaucht hiermit ganz ergebenst in
Kenntnis zu setzen.