Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 367
Paris, 7. August 1885.
Wenn ich alle Symptome in Betracht ziehe, so hat sich schon seit
Jahr und Tag eine Intrige gegen mein ferneres Verbleiben angesponnen.
Es wirkten dabei eine Menge Elemente mit, die gegenseitig vielleicht nichts
miteinander zu tun hatten, die aber den gleichen Zweck verfolgten. Wenn
jemand elf Jahre einen Botschafterposten wie den von Paris innegehabt
hat, so ist er der point de mire vieler Begehrlichkeiten und vielen Neides.
Die jüngere Generation, Leute der Karriere, die vor elf Jahren fünfund-
zwanzig Jahre alt waren, nähern sich jetzt den Vierzigern und fangen
an, ungeduldig zu werden. Man kann sich in einer Stellung wie der
meinigen nicht mit allen Menschen und allen Untergebenen gut stehen
und macht sich, man will oder nicht, Feinde. Dazu kommt, daß Bleich-
röder, Henckel u. a. die Presse gegen mich benutzt haben und wieder gegen
mich benutzen würden. Hier war ich den Rothschilds und den Orleans
unbequem. Wenn ich refüsiert hätte, so würde man wohl genötigt ge-
wesen sein, mich hier zu lassen. Das würde aber den Reichskanzler, der
bis jetzt jenen Intrigen fernstand, gegen mich verstimmt haben, und
dadurch wäre der Boden für wirksame Intrigen vorbereitet worden.
Erlanger, mit dem ich heute über manches sprach, ohne ihm alles zu sagen,
teilt meine Befürchtungen und findet, daß ich sehr wohl getan hätte, diese
Art des Rückzugs zu wählen, statt abzuwarten, daß man mich fortschicke.
Er weiß vieles, was er mir nicht sagt, und hat seine guten Gründe ge-
habt, als er mir von Herzen Glück wünschte.
Aus einem Briefe an die Prinzessin Amalie.
Paris, 18. August 1885.
... Du fragst mich, wie mir zumute sei. Ich bin nicht geblendet
von dem Glanz der Stellung und gehe ungern von hier weg, wo ich ein-
gelebt bin und viele Freunde habe. Zudem sind mir die Franzosen stets
sympathisch gewesen! Außerdem glaube ich hier nützlich gewirkt zu haben.
Es ist ein eigentümliches Geschick, daß ich während meines ganzen Lebens.
Stellungen nur so lange behalte, bis ich die ersten Schwierigkeiten über-
wunden und mich eingelebt habe und mich wohl fühle. Dann kommt die
unerbittliche Hand der Vorsehung und reißt mich weg, und es ist mir,
als höre ich eine Stimme, die mir sagt: Es geht dir alles zu leicht und
bequem, deine angeborene Faulheit wird die Oberhand gewinnen, also-
fort, an etwas Neues! Dann muß ich wieder Ungewohntes, Peinliches,
Unbekanntes anpacken und muß meine ganze Kraft daransetzen. Das ist
nun für mein Seelenheil sehr nützlich, angenehm ist es nicht.