Straßburg (1885 bis 1894) 373
17. früh Morgenmusik von zwei Militärkapellen. Um 11 Uhr in den
Dom, wo ich von dem Dombaumeister Tornow und einigen Geistlichen
herumgeführt wurde. Der Dom ist imposant, größer als der Straßburger.
Von da in das städtische Museum, dann in das Hospiz St. Nicolas, ein
großes Pfründnerhaus, von Schwestern von St. Vincent de Paula ge-
leitet. In der Schule des Hospizes Gesang der Kinder, Gedichte, Ueber-
gabe von Buketten u. s. w. Von da in das Lyzeum, wo ich alles ansehen
mußte, auch zwei Unterrichtsstunden der Prima beiwohnte. Um 3½ Uhr
nach Hause und Empfang der Generalität und Regimentskommandeure.
Um 5 Uhr gab ich ein Diner im Hotel: sechzig Personen, Generäle, Be-
amte und Gemeinderat. Sehr gut serviert. Ich brachte zuerst die Ge-
sundheit des Kaisers aus, was um so mehr Beifall fand, als Manteuffel
aus Schonung für die Franzosen dies stets unterlassen hatte. Dann hielt
ich meine Rede und glaube gut gesprochen zu haben. Wenigstens war
großer Beifall mein Lohn. Gegen Ende des Diners kam ein Gemeinde-
ratsmitglied auf den Platz mir gegenüber und hielt eine freundliche fran-
zösische Ansprache. Ich antwortete französisch und schloß mit einem Hoch
auf den Conseil municipal. Nach dem Diner wurde mir allerseits viel
Schmeichelhaftes gesagt. Die Beamten waren alle sehr stolz auf ihren
neuen Statthalter und die französischen Gemeinderatsmitglieder angetrunken
und gerührt. Dann ging es ins Theater, das schon von außen festlich
beleuchtet war. Ich wurde vom Theaterkomitee empfangen, in den
schönen Foyer geführt und betrat unter Tusch des Orchesters die Mittel-
loge. Alles erhob sich, und ich grüßte mich verneigend nach allen Seiten
und nahm dann auf einem Fauteuil in der Mitte Platz, wo ich der
Gegenstand der allgemeinen Betrachtung war. Die Oper „Lohengrin“
wurde ganz anständig gegeben, ich blieb zwei Akte und ging dann
nach Hause.
Morgens Fahrt auf das Fort St. Quentin und mittags Rückfahrt nach
Straßburg. Ich bin froh, daß alles so gut abgelaufen ist. Ich fange
an, mich an das Souveränspielen zu gewöhnen, wenn es mir auch ein
etwas mühsames Handwerk zu sein scheint.
Kaiser Wilhelm an den Fürsten Hohenlohe.
Berlin, 22. November 1885.
Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren Brief vom 19. d. M.
Mit Freude und Vergnügen habe ich ersehen, daß Ihr Eindruck über den
Empfang, der Ihnen geworden ist, ein sehr erwünschter gewesen ist und
Ihnen Zuversicht für Ihre Stellung gibt. Aber auch ich kann nur
meine Anerkennung aussprechen über Ihre Empfangsantworte, über ihre