Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

376 Straßburg (1885 bis 1894) 
auf die berühmtesten Bilder aufmerksam machte. Ich nenne nur den 
„Karl V. zu Pferde“ von Tizian, die „Schmiede“ von Velasquez, die 
verschiedenen Madonnen von Murillo, „Rebekka am Brunnen“ von 
demselben, Porträts der Könige von Spanien, Riberas „Jakobsleiter“ 
u. s. w. Die Porträts des Holländer Malers Moro sind sehr schön, im 
Genre wie van Dyck. Heute Nachmittag fahre ich zum Minister des 
Auswärtigen. Wir haben helles, warmes Wetter. 
Madrid, 10. Dezember 1885. 
Gestern Nachmittag 3½ Uhr fuhr ich mit Solms zum Minister des 
Aeußern Herrn Moret, um ihm die Kopie meines Schreibens zu über- 
geben. Wir tauschten höfliche Redensarten, und ich hatte Gelegenheit, 
mich dem Minister gegenüber im Sinne des kaiserlichen Telegramms aus- 
zusprechen. Der Minister sagte, es sei ein großes Unglück für Spanien, 
aber was ihn tröste und ihm Hoffnung für die Zukunft gebe, seien die 
Eigenschaften der Königin, die sich ihrer neuen Aufgabe mit großer 
Charakterstärke angenommen habe. Nach einer Spazierfahrt auf dem 
Prado aß ich bei Solms mit den Herren der Gesandtschaft und den 
meinigen sowie mit Vega de Armijo und Dubsky. Ersterer erzählte viel 
von den Reisen des Königs nach Deutschland und von den Szenen in 
Paris. Nachdem er weg war, sprachen wir über die spanischen Zustände. 
Es scheint, daß hier alles darauf ankommt, die etwa hunderttausend 
Spanier der gebildeten Stände zu befriedigen, ihnen Stellen zu ver- 
schaffen und sie Geld gewinnen zu lassen. Das Volk scheint indifferent. 
Beweis, daß die gegenwärtige Regierung alle Wahlen in der Hand hat 
und selbst dafür sorgt, daß auch eine gewisse Zahl von Oppositions- 
mitgliedern gewählt wird. Das Ganze ist ein Ausbeutungssystem der greu- 
lichsten Art, eine Karikatur des Konstitutionalismus, Phrasen und Dieb- 
stahl. Heute brachte ich den Vormittag in der Bildergalerie zu und sah 
mir erst die berühmten Bilder von Raffael, die „Perle“, den „Kardinal"“ 
und mehrere andre an. Nachher gingen wir in das Akademiegebäude, 
wo zwei merkwürdige Bilder von Murillo („Der Traum“) hängen. Das 
eine besonders macht einen ergreifenden Eindruck. 
Um 3 Uhr kam der Introducteur des Ambassadeurs Zarco del Valle 
und holte mich ab. Wir bestiegen einen sechsspännigen Wagen aus der 
Zeit Ludwigs XVI., ich mit dem Introducteur, Kanitz und Schlippen- 
bach:1) einen andern. Neben meinem Wagen ritten der Stallmeister des 
Königs und ein Oberst der Guiden. Läufer gingen neben dem Wagen 
und den Pferden. Kavallerie begleitete uns. Im Hofe des Schlosses war 
  
1) Hofmarschall Graf Kanitz und Kammerjunker Graf Schlippenbach waren 
dem Fürsten für die Mission nach Madrid beigegeben.
	        
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