Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

380 Straßburg (1885 bis 1894) 
Paralyse des Herzens geendet habe. Daß sich der König durch aus- 
schweifendes Leben ruiniert habe, wie dies hie und da behauptet worden, 
sei unrichtig. Ebenso bestritt Herr Canovas, daß der König an Lungen- 
schwindsucht gestorben sei. Auf die Lage des Landes übergehend, äußerte 
sich Herr Canovas sehr hoffnungsvoll. Sein Rücktritt sei eine Notwendig- 
keit gewesen, und die konservative Mehrheit der jetzigen Kammer, die ganz 
unter seinem Einflusse stehe, werde der jetzigen Regierung keine Schwierig- 
keiten bereiten; dieselbe brauche deshalb vor einem Jahre nicht zu Neu- 
wahlen zu schreiten und könne mit den Konservativen und den Liberalen 
fortregieren. Die Republikaner seien nicht zu fürchten, ebensowenig die 
Karlisten. Die Gefahr für die Zukunft liege nur in der langen Minder- 
jährigkeit des künftigen Königs oder der künftigen Königin. Indessen 
erkennt er an, daß die Königin-Regentin sich ihrer Aufgabe vollkommen 
gewachsen zeige. In der gleichen Weise sprach sich Don Manuel Silvela 
aus, den ich von der Zeit her kenne, als er Botschafter in Paris war. 
Auch er erklärt, daß die Konservativen die jetzige Regierung unterstützen 
würden. Herr Sagasta äußerte seine Befriedigung über die Haltung des 
spanischen Episkopats, wodurch die Gefahr einer karlistischen Bewegung 
vermindert wäre. Jedenfalls sei die Regierung entschlossen, jeden revo- 
lutionären Versuch, von welcher Seite er komme, energisch zu unterdrücken. 
Anders äußert sich Herr Castelar, den ich zwar selbstverständlich nicht 
gesprochen habe, der aber dem rumänischen Gesandten Plagino versicherte, 
die Republik mache stetige Fortschritte in Spanien und ihr Sieg sei un- 
zweifelhaft, wenn auch die Republikaner jede revolutionäre Bewegung zu 
vermeiden entschlossen seien. Die Republik werde in friedlicher Weise- 
triumphieren, und dann würden sich die Völker der lateinischen Rasse ver- 
einigen. 
Rede bei dem Diner für den Landesausschuß am 30. Ja- 
nuar 1886. 
Meine Herren! Fast wäre ich versucht gewesen, Sie mit „meine 
geehrten Kollegen“ anzureden. So groß ist die Macht der Erinnerung an 
eine alte Genossenschaft, daß ich, wenn ich eine Anzahl Abgeordneter um 
mich versammelt sehe, mich leicht der Täuschung hingebe, als gehöre ich 
selbst noch dazu. Was aber keine Täuschung ist, was ich als einen reellen 
Gewinn aus der Erfahrung meines parlamentarischen Lebens bewahre, 
das ist die gute Meinung, die ich im allgemeinen von Mitgliedern parla- 
mentarischer Körperschaften habe. Weiß ich doch, was dazu gehört, wie 
ein gutes Teil der Arbeit eines Menschenlebens dazu gehört, das Ver- 
trauen der Mitbürger zu erwerben und zu erhalten in dem Maße, daß 
sie uns die Vertretung ihrer Gesamtinteressen übertragen.
	        
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