382 Straßburg (1885 bis 1894)
Kaisermanöver wirklich in diesem Herbst in Elsaß-Lothringen stattfinden
sollen. Der Kriegsminister läßt es noch dahingestellt, ob das Haupt-
quartier des Kaisers nach Metz oder nach Straßburg verlegt werden soll
und fragt Heuduck um seine Meinung. Heuduck und Oberstleutnant Bock
sind für Straßburg, weil sie sagen, daß die Unterbringung der Truppen
und des kaiserlichen Gefolges, ersterer auf dem Lande, des letzteren in Metz,
Schwierigkeiten haben werde. Sie erkennen aber beide an, daß die Kosten
für das Manöver im Elsaß viel höher sein werden, etwa 500000 Mark
mehr. Auf die an mich gerichtete Frage, ob ich aus politischen Gründen
gegen Straßburg sei, mußte ich mit Nein antworten. Ich bin überhaupt
der Meinung, daß es besser gewesen wäre, mit dem Kaisermanöver zu
warten, bis der Kaiserpalast fertig ist. Es ist kein heiteres Bild für den
Kaiser, das angefangene Palais vor sich zu sehen, das er wohl nie be-
ziehen wird. Ich finde auch, daß es keinen besonderen Eindruck auf die
Bevölkerung machen wird, einen neunzigjährigen Greis zu Wagen den
Manövern folgen zu sehen. Dazu kommt, daß man noch nicht weiß, wie
die Gemeinderatswahlen ausfallen werden. Besser wäre es immer ge-
wesen, die Sache bis zum nächsten Jahre zu verschieben und erst das
Palais fertig zu machen.
Straßburg, 29. Mai 1886.
Der Superior des Priesterseminars Herr Dacheux kam heute zu mir,
um mir einige von ihm verfaßte Bücher zu überreichen. Wir sprachen
zuerst über die Seminaristen, welche zum Militärdienst eingezogen sind
und die er freibekommen möchte. Ich riet ihm, mir eine Eingabe zu
schicken, die ich befürwortend dem Kommandeur des XI. Armeekorps,
General von Schlotheim, nach Kassel schicken würde. Ich riet ihm, die
Seminaristen das Examen zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst machen zu
lassen, und da beklagte er sich, daß das Knabenseminar in Zillisheim
schlecht organisiert sei, daß die jungen Leute schlecht vorbereitet in das
Seminar kämen und daß nach seiner Meinung jeder Seminarist vor der
Aufnahme das Abiturientenexamen machen sollte. Er kam dann auf den
Koadjutor, über den er klagt und der ihn bisher noch nicht zum
Kanonikus gemacht habe, obgleich der Superior des Seminars eigentlich
immer Kanonikus sein müsse. Er sprach überhaupt ziemlich freisinnig und
klagte über die niedere Stufe der Bildung, auf der der elsässische Klerus
stehe. Er behauptete, für sich keinen Ehrgeiz zu haben und nichts für sich
zu erstreben, am wenigsten einen Bischofssitz. Er sei degoutiert u. s. w.
Im ganzen machte er mir den Eindruck, als wolle er sich mir als Ver-
trauten und Ratgeber in geistlichen Dingen empfehlen. Das mag ja zu
benutzen sein, wenn auch mit Vorsicht.