Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 385 
Mädchen, hinter mir Thaden und Sommer und der Gemeinderat, neben 
mir der Bürgermeister mit seiner Schärpe. So zogen wir unter Böller- 
schüssen nach der großen berühmten Kirche. Hier empfing mich der katho- 
lische Pfarrer mit einer sehr loyalen Rede, in der er seine und seiner 
Gemeinde Anhänglichkeit an den Kaiser hervorhob und meiner katholischen 
Voreltern sowie der geistlichen Mitglieder der Familie gedachte. Ich ant- 
wortete dankend. Die Kirche ist teilweise in romanischem Stile gebaut, 
eines der interessantesten Bauwerke des Elsaß. Der Pfarrer zeigte mir 
die Tapisserien, welche das Leben des heiligen Adelphus darstellen und 
aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammen. Sie stammen von einer Gräfin 
Lichtenberg, welche eine geborene Gräfin Hohenlohe war, die Leoparden 
waren auf jedem Stück angebracht. Dann ging es in die Franziskaner- 
kirche und dann in die Synagoge. Von hier fuhren wir nach der ehe- 
maligen Festung Lützelstein, ein schöner Weg durch prachtvollen Wald. In 
Lützelstein Diner mit den Notabeln und Beamten, dann Fahrt im Regen 
nach Zabern, wo wir um ½7 Uhr ankamen und von wo wir um ½9 Uhr 
in Straßburg wieder eintrafen. 
Straßburg, 20. Juni 1886. 
Als ich anfangs Juni auf einige Tage in München war, erhielt ich 
Kenntnis von den Schritten, die man tun wollte, um den König der Re- 
gierung zu entsetzen und eine Regentschaft an dessen Stelle treten zu lassen. 
Mit Gustav Castell sprach ich über den Plan, eine Kommission nach Hohen- 
schwangau zu schicken, um dem König den Beschluß mitzuteilen. Als ich 
von München nach Schillingsfürst fuhr, war die Kommission nach Hohen- 
schwangau abgegangen, und ich erfuhr in Schillingsfürst das negative 
Resultat. Sonntag fuhr ich nach Straßburg zurück. Montag früh, als 
ich im Begriff war, zum Rennen nach Weißenburg zu fahren, kam die 
Nachricht von dem entsetzlichen Ende des Königs und von dem Tode des 
Dr. Gudden. Ich konnte die Fahrt nicht aufschieben, fuhr also zu dem 
Feste und erhielt in Weißenburg die offizielle Bestätigung der Katastrophe. 
Darauf fuhr ich um 4½ Uhr nach Straßburg zurück und bestieg Abends 
9 Uhr den Zug nach München. Dort ging ich in die auf 12 Uhr an- 
beraumte Sitzung der Reichsräte und wurde nun in die Kommission ge- 
wählt, die beauftragt war, die Tatsachen zu prüfen und sich über die 
Regentschaft auszusprechen. Mittwoch Mittag fand die erste Sitzung der 
Kommission statt. Hier berichtete erst Minister Lutz über den Hergang, 
sagte, daß das Ministerium erst im Frühjahr dieses Jahrs die Ueber- 
zeugung von der Geisteskrankheit des Königs gewonnen habe, erklärte, 
warum man in der bekannten Weise vorgegangen sei, und las dann die 
Aktenstücke vor, welche über den Zustand des Königs Auskunft gaben. 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 25
	        
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