386 Straßburg (1885 bis 1894)
Der Bericht des früheren Kabinettsrats Ziegler war ohne Bedeutung und
die Details alle bekannt. Der Kabinettsrat Müller brachte einiges Neue,
so den Wunsch des Königs, ein andres Land zu finden, wo er ohne
Kammern regieren könne, die düstere Gemütsstimmung, den Lebensüberdruß
des Königs und eine Reihe von Briefen, darunter solche, in denen er dem
Kabinettsrat schwärmerische Freundschaftsversicherungen macht. Der Bericht
von Hornig gab Auskunft über die Manie des Königs, Leute zur Bastille
zu verurteilen, dann über die Aufträge, die er gab, durch Einbruch aus
den Banken Geld zu nehmen, über Wutausbrüche des Königs, über Miß-
handlungen der Diener, über die Aufträge, den Kronprinzen von Italien
zu fangen, ihn einzusperren und zu peinigen, dann über die Schlaflosigkeit
des Königs, seine steten Kopfschmerzen u. a.
In ähnlicher Weise deponierte auch der Kammerdiener Wilker, der
das Zeremoniell beschrieb, das die Diener beobachten mußten, die Ein-
richtung eines Burgverlieses, die Abneigung des Königs gegen München,
den Kultus Ludwigs XIV. und Ludwigs XV. Er wie der später ver-
nommene Kammerdiener Mayer sprachen von der Unreinlichkeit des Königs
und ähnlichem. Mayer erzählte, daß er ein Jahr lang nur in einer
schwarzen Maske servieren durfte, weil der König, wie er sich äußerte,
sein Verbrecherantlitz nicht sehen wollte. Dann kamen die Gutachten der
Irrenärzte, die alle die Geistesstörung als unzweifelhaft feststehend be-
zeichneten. Abends wurde fortgefahren und zum Schluß noch Dr. Grashey
gehört, der einen eingehenden Vortrag in diesem Sinne hielt. Am andern
Tage wurde wieder Sitzung gehalten und dann auf Freitag die letzte
Sitzung anberaumt. In der sich nun entspinnenden Debatte wurde die
Frage verhandelt, ob und warum es nötig gewesen sei, so und nicht
anders zu verfahren, ob man nicht vorher die Abdikation hätte versuchen
sollen. Franckenstein sprach sich für Annahme des Regierungsantrags aus,
tadelte aber, daß man so lange gewartet habe und daß man so wie ge-
schehen vorgegangen sei. Ortenburg sprach in demselben Sinne. Ich
verteidigte die Regierung, wies darauf hin, daß man ja sehr wohl zweifeln
konnte, ob der König geisteskrank sei, da ja auch Dr. Grashey auseinander-
gesetzt habe, wie diese Art von Irren gewissermaßen zwei Persönlichkeiten,
eine verrückte und eine vernünftige, in sich vereinigen. Dann konstatierte
ich, daß die angeblichen Verhandlungen des Königs mit den Prinzen von
Orleans, die als Felonie hingestellt werden, nach der Lage der Akten in
nichts anderm beständen als in einem Briefe eines obskuren Pariser Agenten,
der seinerseits die Bedingungen wegen Neutralität gestellt habe, worauf
nie eine Antwort erfolgt sei.
In bezug auf den nunmehrigen König Otto legte Pranckh, der zu
den Kuratoren gehört, dar, daß seine Krankheit seit einigen Jahren so