Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 393 
21. September. 
Gestern um 8 Uhr fuhr ich mit dem Kronprinzen im Extrazug nach 
Metz. Der Großherzog von Baden und General Heuduck waren schon in 
einem früheren Zug gefahren. Mit uns fuhren Hofmann, Thaden, Jordan, 
Graf Schlieffen, Perponcher, Reischach und einige Offiziere. Im Waggon 
des Kronprinzen saßen Prinz Wilhelm und ich. Später Hofmann und 
dann Hammerstein, von Saarburg aus. In Zabern und Saarburg be- 
geisterter Empfang auf dem Bahnhof. In Metz begrüßten uns der Groß- 
herzog, Prinz Albrecht, der Bürgermeister u. s. w. Ich fuhr im Wagen 
des Kronprinzen durch die aufgeregten und enthusiastischen Menschenmassen. 
Es war mehr Leben und Bewegung als in Straßburg. An dem Bezirks- 
präsidium stiegen wir aus. Dann Vorbeimarsch der Ehrenwache. Hierauf 
Cercle im Hof: der Bischof, die Beamten und der Gemeinderat. Um 12 Uhr 
war dies vorbei, und jeder eilte nach seinem Quartier. Ich wohnte bei 
Dr. Zartmann in einem wunderschön eingerichteten Renaissancehaus. Die 
Familie empfing mich an der Tür. Um 1 Uhr in den Dom, wo der 
Kronprinz bald darauf eintraf. Wir gingen alles anzusehen und bewun- 
derten die schönen Glasfenster und das prachtvolle Gebäude. Hierauf in 
die Synagoge, dann zur Grundsteinlegung des Mathildenstifts. Dann 
sollte eine Promenade auf der Esplanade stattfinden. Ich blieb aber im 
Wagen, da es stark regnete. Der Kronprinz, der mit dem Großherzog 
fuhr, nahm die Huldigung der Landleute auf der Esplanade entgegen, wo 
viel gejubelt und Hurra geschrien wurde. Man hörte auch „Vive P’Em- 
pereur“ und „Vive le Prince impérial!“ rufen. Um 5 Uhr war das 
Diner, welches der Kronprinz im Bezirkspräsidium gab. Dann Theater 
mit Foyervorstellungen der Damen; um 9 Uhr verließen wir dasselbe, um 
nach dem Bezirkspräsidium zu fahren und den Lampionzug anzusehen. 
Um 10 Uhr zu Hause. Heute früh besuchte ich erst meine Hausleute und 
fuhr dann in das Museum, wo ich den Kronprinzen traf. Nach Besich- 
tigung einiger Manuskripte, Bücher u. s. w. ging es auf den Bahnhof, wo 
wieder Bukette überreicht wurden. Unterwegs erzählte mir der Kron- 
prinz vom Fürsten von Bulgarien. Die russische Regierung, das heißt das 
Ministerium, wollte den Fürsten dort lassen. Auf das Telegramm des 
Fürsten hatte Vlangali (der Vertreter von Giers) eine anständige Antwort 
aufgesetzt und legte sie dem Kaiser vor. Dieser verwarf sie und schrieb selbst 
die grobe Depesche. Daß der Fürst von Bulgarien die Unwahrheit sage, be- 
streitet der Kronprinz. Radowitz habe eifrig gegen den Fürsten gearbeitet. 
Der Kronprinz hat neulich Bismarck gesagt, es sei doch gut, wenn sich die 
Balkanstaaten zusammenschlössen, um Rußlands Ueberflutung zu hindern. 
Das bestritt Bismarck und sagte, es sei ein Glück, wenn Rußland Kon- 
stantinopel bekomme und die Balkanhalbinsel; denn dann sei es geschwächt.
	        
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