Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

398 Straßburg (1885 bis 1894) 
Schönes gelesen. Als ich dies Abends auf der Promenade Wilmowski 
erzählte, sagte dieser: „Ja, das haben Sie gut gemacht, wie alles, was 
Sie tun.“ Um ½9 Uhr war Tee bei der Kaiserin. Ich saß neben dem 
Großherzog und der jungen Komteß Fürstenberg. Man sprach viel über 
den König von Bayern und Prinz Luitpold u. s. w. Nach der Soiree 
veranlaßte mich Gräfin Fürstenberg, mit zu der Gräfin Andrassy zu gehen, 
die uns Cumberland-Kunststücke vormachte. 
Baden, 18. Oktober 1886. 
Heute früh war ich bei Bülow, dem Gesandten, der mir allerlei von 
der auswärtigen Politik erzählte. Als ich ihn fragte, wie wir zu Frankreich 
ständen, sagte er, es sei richtig, daß man uns von dort aus entgegen- 
komme, und auch Herbettes Sendung) habe diesen Zweck. Es geschehe 
aber, um uns in der ägyptischen Frage und in andern Fragen, wo die 
Franzosen uns gegen England benutzen wollten, für französische Zwecke 
zu gewinnen. Der Reichskanzler sei der Ansicht, daß Frankreich ein zu 
unsicherer Alliierter sei, um sich dafür mit England zu entzweien. Man 
werde daher das Entgegenkommen Frankreichs nicht schroff ablehnen, aber 
dilatorisch behandeln. In der bulgarischen Frage sagte er, daß die Russen 
nicht mehr wüßten, wie sie aus der fatalen Lage, in welche sie die vom 
Kaiser persönlich an Kaulbars gegebenen ungeschickten Instruktionen gebracht 
haben, herauskommen sollen. Bismarck hat vorgeschlagen, Rußland solle 
sich mit Oesterreich verständigen und eine Demarkationslinie in der Theorie 
feststellen, so daß der westliche Teil der Balkanhalbinsel dem österreichischen, 
der östliche dem russischen Einfluß vorbehalten bleibe. Oesterreich sei 
aber der Ungarn wegen nicht auf den Gedanken eingegangen. Es bleibe 
immer das Bestreben Bismarcks, den Konflikt zwischen Oesterreich und 
Rußland zu verhindern. Kalnoky habe eine Zeitlang gewackelt, sitze aber 
wieder fest. 
Die Kaiserin empfing mich um 11 Uhr, trug mir Grüße an „Léonille" 
auf, und ich solle ihr sagen, sie möge ihr auch schreiben, wie sie lebe, und 
nicht bloß Geschäftssachen. Dann wünscht die Kaiserin, daß Prinz Luitpold 
nicht nach Berlin gehe, ehe sie wieder dort sei. Ferner empfahl sie mir, 
ein aufmerksames Auge auf die französischen Tendenzen des elsässischen 
Klerus zu haben. Ich sagte ihr, das sei auch mein Bestreben. 
Um 5 Uhr war ich zu einem kleinen Familiendiner geladen. Außer 
dem Kaiser und der Kaiserin nahmen nur die großherzoglichen Herrschaften 
1) Der Botschafter de Courcel war am 24. August abberufen worden. Am 
23. Oktober wurde der bisherige Direktor im Auswärtigen Amte Herbette zum Bot- 
schafter in Berlin ernannt. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.