Straßburg (1885 bis 1894) 399
daran teil. Die andern Sterblichen aßen unten und kamen erst nach der
Tafel herauf. Ich fand dann auch den Gesandten Solms, der mir sagte,
man sei im Auswärtigen Amte etwas en T’air“, weil es mit den Bot-
schaftern nicht recht gehe. Keudell berichte das Wichtigste nicht, Münster
sei schwach, Reuß kränklich und wolle weg. Beim Abschied drückte mir
der Kaiser die Hand und sprach in sehr gnädigen Worten seine Zufrieden-
heit mit meinen Leistungen aus und die Hoffnung, daß ich so fortfahren
würde.
Straßburg, 20. Oktober 1886.
Gestern Fahrt nach Markolsheim. Heute zahlreiche Audienzen. Um
3 Uhr ging ich nach Verabredung ins Große Seminar, um mir von dem
Superior Dacheux das Gebäude zeigen zu lassen. Er führte mich zuerst
in sein Zimmer, wo ich seine Kupferstiche ansah. Dann gingen wir durch
das ganze geräumige Gebäude, wo jetzt zweihundert Seminaristen wohnen.
Heute war es noch leer, da die Schüler erst in einigen Tagen wieder
eintreffen. Nachher brachte Dacheux allerlei vor, was ihm auf dem Herzen
lag. Zunächst empfahl er mir, dafür zu sorgen, daß, wenn die Jesuiten
wieder nach Deutschland kämen, man die Bedingung mache, daß Elsaß-
Lothringen zur deutschen und nicht zur französischen Ordensprovinz gehöre,
damit nicht die französischen Jesuiten hier Einfluß erhielten. Ich erwiderte,
daß der Jesuit keiner Nationalität angehöre, daß es also gleich sei, ob
hier französische oder deutsche Jesuiten ihr Wesen trieben. Uebrigens
würde ich mir seinen Rat merken. Ferner sprach er von Zillisheim, wo
die Knaben nicht wie in Montigny zum Abiturientenexamen vorbereitet
würden. Das sei nötig und er riet, darauf zu dringen, daß der Bischof
das Knabenseminar in diesem Sinne umgestalte. Mindestens müsse Zillis-
heim eine Oberprima erhalten. Eine theologische Fakultät an der Universität
hielte er für wünschenswert, doch habe man sich in Rom dagegen erklärt,
und da habe Stumpf den Gedanken aufgegeben und gehe damit um, für
sich eine katholische Fakultät einzuführen. Das „Bulletin catholique“ gebe
darüber Auskunft in einer der letzten Nummern. Er empfahl mir die
„Revue catholique d'Alsace“. Dann beklagte er sich, daß man in Stephans-
feld und in der Strafanstalt in Hagenau gegen die Schwestern vorgegangen
sei. Danach muß ich mich erkundigen. Von Lektüre empfiehlt er die
Akten des Stifts St. Thomas wegen der Beeinträchtigung der Katholiken
durch die Wegnahme des Vermögens von St. Thomas durch die Pro-
testanten. Doch sei nichts zu machen. Endlich empfahl er, in den Archiven
die Verordnungen Ludwigs XIV. zur Französierung des Elsaß hervor-
suchen zu lassen. Man könne es jetzt im entgegengesetzten Sinne nach-
machen.