Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

400 Straßburg (1885 bis 1894) 
Dacheux legt Wert darauf, daß wir Sonntags dem Hochamt bei- 
wohnen, damit uns seine Seminaristen sehen! Er meint, wir sollten nur 
darauf dringen, daß die Heizvorrichtung eingerichtet würde. 
Kaiser Wilhelm an den Fürsten Hohenlohe. 
Berlin, 22. Oktober 1886. 
Ich erteile Ihnen sehr gern den dreiwöchentlichen Urlaub mit den 
verschiedenen Einteilungen und Bedingungen. 
Wilhelm. 
Journal. 
Paris, 10. November 1886. 
Was mich während meines diesmaligen Aufenthalts am meisten frappiert 
hat, ist die Wendung, die in der Stellung des Generals Boulanger ein- 
getreten ist. Noch im vergangenen Frühjahre wurde Boulanger als ein 
„farceur“ angesehen, als kein Mann, mit dem man zu rechnen habe, als 
ein Streber, der lediglich persönliche Zwecke verfolge u. s. w. Jetzt wird 
mir von urteilsfähigen Leuten versichert, Boulangers Stellung sei eine 
andre geworden. Während er früher in einer gewissen Abhängigkeit von 
Clémenceau gestanden habe, hänge jetzt Clemenceau von ihm ab. Boulanger 
habe nicht allein die äußerste und radikale Linke, sondern auch die Oppor- 
tunisten und damit die Majorität der Kammer auf seiner Seite. Freycinet 
könne es jetzt nicht mehr wagen, sich Boulangers zu entledigen, und selbst 
Ferry werde, wenn er ans Ruder komme, Mühe haben, ein Ministerium 
ohne Boulanger zustande zu bringen. Boulanger ist ein Mann, der andre 
zu gewinnen versteht, der den Massen zu imponieren und sie zu blenden 
weiß. Wenn er noch zwei Jahre im Amte bleibt, wird die Ueberzeugung, 
daß Boulanger der Mann sei, der Deutschland besiegen und Elsaß-Lothringen 
zurückerobern könne, allgemein werden, und da Boulanger ein Mann ohne 
jegliche Skrupel ist, dessen Ehrgeiz sehr hoch geht, so wird er die Massen 
zum Krieg fortreißen. Diese Ansicht teilen Blowitz und Villaume. Beide 
äußerten sich übereinstimmend. Blowitz fügte hinzu, wenn Deutschland 
den Krieg für unvermeidlich halte, so könne es Boulanger weiterwirt- 
schaften lassen, dann werde der Krieg im Jahre 1888 kommen. Wolle 
dagegen Deutschland den Krieg nicht, so müsse es Boulanger stürzen. 
Boulangers Fall sei sicher, sobald das Land, noch ehe der Kriegsenthusiasmus 
sich auf weitere Kreise verbreitet habe, einsehe, wohin es durch Boulanger 
geführt werden solle. Dann werde er weggefegt werden, denn zurzeit sei 
das Land noch friedlich und scheue den Krieg. In einem Jahre werde es 
anders sein.
	        
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