Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 403 
grata ist, so ist das allerdings schlimm. Wie soll ich ihn aber ander- 
weitig unterbringen und wie soll ich ihn wegbringen, wenn er alles tut, 
was ich will!? Man hat von mir oft gesagt: „II se presse lentement.“ 
Ich tue das auch jetzt, bin sehr dankbar für guten Rat, werde das Ziel 
nicht aus dem Auge verlieren, aber mich auch nicht aus meinem Gleich- 
mut herausbringen lassen 
Journal. 
Berlin, 19. Januar 1887. 
Am 17. Januar 12½ Uhr Nachts reiste ich von Straßburg ab. Es 
war sehr kalt und unser Waggon gut. Ich schlief bis Frankfurt. Dort 
1½ Stunden Aufenthalt. Dann weiter in einem schlecht geheizten Coupé. 
Ich las den ganzen Tag. Als es dunkel wurde, spielte ich mit Thaden 
Pikett bis nahe bei Berlin. Dort Absteigequartier bei Viktor in der 
Moltkestraße. Am 18. früh Meldung bei dem Kaiser und dem Kron- 
prinzen. Um 1 Uhr lange Kapitelzeremonie mit rotem Mantel. Nach- 
mittags Besuche. Diner bei dem Kaiser um 3 Uhr mit den andern Rittern 
vom Schwarzen Adlerorden. Abends „Nathan der Weise“ im Deutschen 
Theater. Interessante Vorstellung. Heute früh Besuche. Ich höre, daß 
das Verhältnis zwischen dem Kronprinzen und Bismarck wieder schlecht 
ist wegen Battenberg. Der Kronprinz ist gegen die Auflösung.) Seine 
liberalen Ratgeber hetzen gegen Bismarck. Mißtrauen gegen Frankreich 
ist allgemein. Nachmittags zu Bleichröder. Dieser teilt das Mißtrauen 
gegen Frankreich nicht, glaubt nicht an den Krieg für jetzt. Dagegen 
meint er, daß sich der Krieg zwischen England und Rußland vorbereite, 
aus dem im Jahre 1888 ein Krieg in ganz Europa entstehen könnte. 
England will Aegypten behalten. Die Franzosen erklären, dies nicht leiden 
zu wollen. Freycinet hat dies Bleichröder gesagt. Bismarck hält fest an 
Rußland. Die Oesterreicher seien über Bismarcks Rede verstimmt. 2) 
Wenn Oesterreich mit Rußland Krieg führt, werden wir uns nicht be- 
teiligen, aber nicht dulden, daß Oesterreich geschwächt werde. Das kann 
doch noch zum Kriege führen. Daß das Verhältnis zwischen dem Kron- 
prinzen und Bismarck schlecht sei, bestätigt Bleichröder. Am kronprinz- 
lichen Hofe würde man mwünschen, den Fürsten von Bulgarien zum Statt- 
halter von Elsaß-Lothringen zu machen, damit er die Prinzessin Viktoria 
heiraten könne, oder zum Reichskanzler! Mit meiner Verordnung in 
  
1) Die Auflösung des Reichstags wegen Verwerfung der Militärvorlage war 
am 14. Januar erfolgt. 
2) Der Reichskanzler hatte am 12. Januar ausgesprochen, daß Deutschland 
des Orients wegen mit Rußland keinen Krieg führen werde. 
 
	        
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