Straßburg (1885 bis 1894) 407
Folge zu leisten. Es fragt sich nun, ob die Stellung des keiserlichen
Statthalters mit einer solchen Unterordnung vereinbar ist. Würde diese
Frage verneint, so würde ich gerade im Augenblick der Gefahr zur Un-
tätigkeit verurteilt, was für mich äußerst peinlich wäre. Ich möchte des-
halb an das schon so oft erprobte Wohlwollen Eurer Durchlaucht appellieren
und ganz ergebenst bitten, in Erwägung ziehen zu wollen, in welcher
Weise ich im Falle des Kriegs Verwendung finden könnte. Meines Er-
achtens wäre dies möglich dadurch, daß dem Statthalter für die Dauer
des Kriegs die Funktionen eines Generalgouverneurs von Elsaß-Lothringen
übertragen würden oder, wenn dies nicht tunlich ist, daß Seine Majestät
geruhten, mich in das Große Hauptquartier zu berufen. Die Frage des
mir zurzeit fehlenden militärischen Grades wäre ein Detail, das ohne
Schwierigkeit erledigt werden könnte, allerdings aber nur dann, wenn
Eure Durchlaucht für meine Wünsche einzutreten geneigt wären. Ohne
eine solche mächtige Fürsprache würde ich bei der im Militärkabinett gegen
mich herrschenden Stimmung keine Aussicht haben, dieselben in Erfüllung
gehen zu sehen. Bezüglich der Wahlen in Elsaß-Lothringen habe ich Eurer
Durchlaucht bei meiner Anwesenheit in Berlin berichtet, daß Herr Kablé
sich in Straßburg nicht wieder aufstellen lassen wolle. Dies war damals
richtig. Seitdem ist es aber den französischen Freunden Kablés gelungen,
den todkranken, in Nizza weilenden Mann zu bestimmen, auf seiner
Kandidatur zu beharren. Infolgedessen haben die gemäßigten Elsässer und
die Deutschen in Straßburg wenig Aussicht, ihren Kandidaten, der noch
nicht einmal gefunden ist, durchzubringen. Ueberhaupt haben die Be-
fürchtungen vor dem Kriege, die in Deutschland günstig auf die Wahlen
wirken, hier den entgegengesetzten Effekt, da der Elsaß-Lothringer meint,
man könne nicht wissen, wie die Sache ausgehe, und da dürfe man
sich nicht kompromittieren und tue am klügsten, die alten Abgeordneten
zu wählen. Wir tun, was möglich ist, den Gegnern das Terrain streitig
zu machen.
Journal.
Straßburg, 15. Februar 1887.
Heute kam Monsieur de Lefebure hierher, nachdem er sich bei mir an-
gemeldet hatte. Er ist auf dem Wege nach Rom und hat den Herren
Flourens und Goblet mitgeteilt, daß er mich hier besuchen werde. Beide
haben Lefêébure beauftragt, mir zu erklären, daß es keinen Staatsmann in
Frankreich gebe, der den Krieg wolle. Goblet insbesondere beauftragte
Lefébure, mir zu sagen, „qu'un ministre qui voudrait faire la guerre,
serait lapidé“. Ich erwiderte, daß ich daran nicht zweifelte und
daß auch der Kaiser und Fürst Bismarck von den friedlichen Intentionen