Straßburg (I885 bis 1894) 421
Ansprache in Rappoltsweiler am 22. Juni 1887.
Ich habe Glück gehabt, seit ich meine Wanderungen durch das Land
begonnen habe. Am ersten Tage meiner Ausflüge verschwanden die Wolken,
und heller Sonnenschein zog über das Land herauf und hat mich bis heute
begleitet. Ich sehe darin eine gute Vorbedeutung und hoffe, daß auch die
Wolken am politischen Himmel sich zerstreuen und daß auch in dieser Be—
ziehung Sonnenschein über das Land kommen und Friede in die Gemüter
einziehen möge. Was an mir liegt, um dies herbeizuführen, werde ich tun.
Ich bedarf aber bei meinen Bestrebungen des Vertrauens der Bevölkerung.
Nur wenn dieses mir zur Seite steht, habe ich die Macht, die Interessen
von Elsaß-Lothringen nach allen Richtungen hin zu vertreten. Der freund-
liche Empfang, der mir in dieser Stadt zuteil geworden, und die Worte
des Vertrauens, mit welchen mich der Herr Bürgermeister begrüßt hat,
sind mir deshalb von großem Wert. .
Journal.
Straßburg, 1. Juli 1887.
Schon vor einiger Zeit hatte mir Studt1) mitgeteilt, daß man in
Berlin die weitere Vereinfachung der Verwaltung in Elsaß-Lothringen
für nötig halte. Gestern gab er mir ein Memoire, in welchem die ihm
in Berlin inspirierten Gedanken dargelegt sind. Danach soll die Justiz-
abteilung mit der ersten Abteilung verbunden und Handel und Gewerbe
an die Finanzabteilung abgegeben werden, und es würden nur ein Staats-
sekretär und ein Unterstaatssekretär bleiben. Puttkamer müßte dann Prä-
sident?) in Kolmar und Exzellenz werden und sein Gehalt behalten. Ab-
gesehen nun davon, daß die Geschäfte für den Staatssekretär, der das
Innere und die Justiz hätte, sehr zahlreich werden würden, kommt in
Betracht, daß ich dem Landesausschuß gegenüber mit Back und Studt
nicht gut bedient wäre. Studt ist kein Redner und Back kann dem Landes-
ausschuß nicht die Spitze bieten. Auch im Bundesrate hat Puttkamer eine
Stellung, die durch idie beiden andern nicht ausgefüllt werden würde.
Studt sagt, dieses Vereinfachungsprojekt werde meine Stellung hier und
in Berlin befestigen. Das ist möglich. Vielleicht werde ich den Beifall
Böttichers und Friedbergs damit gewinnen. Wenn aber die Regierung
sich blamiert, so werden Bötticher und Genossen die ersten sein, den Stein
auf mich zu werfen. Wenn ich einen gescheiten Mann wie Puttkamer zur
Seite habe, kann ich den Herren in Berlin besser entgegentreten. Wenn
1) Seit dem 1. April Unterstaatssekretär der Ministerialabteilung des Innern.
2) Des Oberlandesgerichts.