Straßburg (1885 bis 1894) 423
und meinte: „Das sind recht schlimme Nachbarn.“ Ich erzählte dann
über die Stimmung im Elsaß. Er fragte, ob ich mit den von mir ge-
wählten Beamten zufrieden sei, sagte, daß Studt ihm gefallen habe, und
war mit mir einverstanden, als ich ihm sagte, daß ich Puttkamer nicht
beseitigen würde. Doch ging er darauf nicht sehr tief ein. Was meine
Reise nach Frankreich betrifft, so meinte er, ich würde wohl besser tun,
noch zu warten. Dann erzählte er von Paris, von seinem Aufenthalt
1814 und 1815, von seinem Diner bei der Kaiserin Josephine in Mal-
maison und andres. Am Schluß dankte ich ihm noch herzlich für alle
Gnade, die er in diesem Frühjahr für mich gehabt hat. Das nahm er
sehr gut auf und sagte, er freue sich, zu sehen, daß ich meine Aufgabe so
ernst nehme und so vortrefflich zu lösen verstehe. Dann sagte er: „Grüßen
Sie die Fürstin!“
Fürst Bismarck an den Fürsten Hohenlohe.
Varzin, 9. August 1887.
Aus dem mir durch den Unterstaatssekretär von Puttkamer abschrift-
lich mitgeteilten Immediatberichte vom 25. v. M., betreffend die Verhält-
nisse in Elsaß-Lothringen während des letzten Quartals, habe ich mit leb-
haftem Interesse entnommen, daß die von Eurer Durchlaucht angeordnete
schärfere Handhabung der Regierungsgewalt des günstigen Eindrucks auf
die Bevölkerung nicht entbehrt hat. Wir dürfen meines Erachtens aus
dieser Erscheinung den Schluß ziehen, daß wir jetzt auf dem richtigen
Wege sind.
Ich weiß nicht, welchen Grund die von verschiedenen Zeitungen ge-
brachte Meldung von der Bildung einer altdeutschen Sonderpartei hat,
welche bei der letzten Straßburger Reichstagswahl 1) dort zutage getreten
sein soll. Wenn es der Fall ist und wenn wirklich ein erheblicher Teil
der eingewanderten Altdeutschen sich gegen den einzigen deutschfreundlichen
Reichstagskandidaten erklärt hätte, welchen wir bisher im Elsaß gehabt
haben, so würde darin eine Tendenz zur Unterordnung der staatlichen
Interessen unter persönliche Stimmungen liegen, zu welcher die Beamten
des Staats kein Recht haben und welcher meiner Ansicht nach in den
Reichslanden in Anbetracht der gefährdeten Lage derselben mit Strenge
entgegenzutreten wäre, wenn es richtig ist, daß diese Agitation, wie die
Zeitungsnachrichten behaupten, von unmittelbaren und mittelbaren, zum
1) Infolge des Todes des Abgeordneten Kablé fand in Straßburg am 21. Juli
eine Nachwahl statt, bei der sich die Protestpartei der Abstimmung enthielt oder
leere Zettel abgab und der deutschgesinnte Dr. Petri gewählt wurde. 1163 Stimmen
waren für den Feldmarschall Moltke abgegeben worden.