Straßburg (1885 bis 1894) 427
Die Verordnung faßt die Eventualität ins Auge, daß die Durchführung
auf Hindernisse stoßen werde und daß dann die Entfernung der Regie-
rungskommissare und die Auflösung der Bezirkstage eintreten könne. Das
ist ein Konflikt, dessen Tragweite zwar nicht groß ist, der aber wieder viel
Lärm in der Presse machen würde.
Nun bin ich zwar weit entfernt, Angriffe der Presse oder Besprechungen
von Maßregeln in der Presse zu scheuen, wenn es sich um die Sicherheit
der Grenze handelt oder wenn das Ansehen und die Würde der Regierung
in Frage kommt. Etenso glaube ich, daß man nicht zögern darf, wenn
das Deutschtum in den Reichslanden in Frage ist. Hier aber handelt es
sich darum nicht. Die Sicherheit und das Ansehen der Regierung werden
nicht dadurch gefährdet, daß die Mitglieder des Bezirkstags französisch
sprechen. Ebensowenig ist dadurch die Sicherheit der Grenze gefährdet.
Und was das Deutschtum betrifft, d. h. die Germanisierung des Volks in
Elsaß-Lothringen, so wird diese durch die Schule und die allgemeine Wehr-
pflicht gefördert und durch die engere wirtschaftliche Verbindung mit Deutsch-
land. Sie ist auf gutem Wege. Ja, auch in den Seminarien der Geist-
lichen ist nunmehr Aussicht, die französischen Tendenzen zu beseitigen,
nachdem die Aufnahme von in Frankreich erzogenen Seminaristen nicht
mehr stattfindet. Meines Erachtens wird aber das Deutschtum nicht be-
sonders gefährdet, wenn einige alte Herren, die nicht oder mangelhaft
Deutsch reden, es vorziehen, in den Bezirkstagen in französischer Sprache
zu verhandeln. Ich will damit nur sagen, daß ich in einer Verzögerung
der Maßregel keine Gefahr erblicke, wenn ich auch sonst damit einver-
standen bin. Was mich aber abhält, die Maßregel schon jetzt durchzu-
führen, ist folgendes:
Wir können nicht leugnen, daß wir in diesem Jahre viel Unruhe im
Lande gehabt haben, die Wahlen, den Prozeß gegen die Patriotenliga,
Haussuchungen, Ausweisungen, die Aufenthaltserlaubnis für Franzosen
und deren Folgen, die Jagdkartenfrage, den Schnäbele-Fall und anderes.
Alle diese Dinge haben die Aufmerksamkeit der politischen Welt auf Elsaß-
Lothringen gezogen. Wenn nun wieder ein Konflikt mit den Bezirkstagen
entstände — und die Möglichkeit ist ja nicht ausgeschlossen —, so würden
die Zustände in Elsaß-Lothringen wieder Gegenstand der allgemeinen Auf-
merksamkeit werden, und ich fürchte, daß man dann sagen würde: Das
Land dort kann ja nie zur Ruhe kommen! Der Statthalter dort muß
doch das Regieren nicht verstehen. Man sieht ja, daß er mit den Leuten
nicht fertig werden kann. Daß solche Urteile gefällt werden und gefällt
worden sind, habe ich wiederholt erfahren. Es erscheint mir also als eine
Pflicht der Selbsterhaltung, diesen Angriffen keinen neuen Stoff zu bieten,
wenn es nicht unbedingt nötig ist. Daß eine solche dringende Notwendig-