Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

36 Im Reichstage (I870 bis 1874 
schon vorher Bismarck ihm die Unterhandlung über diese Frage definitiv 
abgeschlagen hatte. Darauf bezieht sich auch eine Aeußerung von Roggen- 
bach, der sich sehr geringschätzig über die Fähigkeiten der bayrischen Minister 
aussprach. Württemberg hat in Versailles Hohenzollern haben wollen, 
Darmstadt wollte Nordhessen abtreten und dafür einen Teil der Pfalz, 
beide Staaten wurden aber von Bismarck entschieden abgewiesen. Da 
sprechen die Preußen von „Seelenverkäuferei und Länderschacher"“. Wenn 
es sich aber um Elsaß-Lothringen handelt, dann sagen sie: „Der Bien 
muß.“ 
Rede des Fürsten Hohenlohein der Verhandlung der Kammer 
der Reichsräte, „die deutschen Verfassungsverträge betref- 
fend“, am 30. Dezember 1870. 
Ich stimme für die Annahme des Vertrages; wenn ich mir erlaube, 
mein Votum mit einigen Worten zu begründen, so geschieht es nicht in 
der Absicht, Ihnen zu beweisen, daß diese Verträge die Selbständigkeit 
Bayerns unbeeinträchtigt lassen. 
Ich gestehe dem Herrn Vorredner zu, daß die bayrische Selbständig- 
keit, oder besser gesagt, die Sonderstellung Bayerns in Deutschland durch 
diesen Vertrag mehr und tiefer erschüttert wird, als dies durch irgendeine 
staatsrechtliche oder internationale Verbindung geschehen ist, in der sich 
Bayern seit Abschluß des Westfälischen Friedens befunden hat. 
Allein, meine hohen Herren, mir scheint die Frage nicht so zu liegen, 
ob durch diesen Vertrag die bayrische Selbständigkeit gefährdet sei und 
wir ihn deshalb ablehnen müßten, sondern wir müssen die Frage so 
stellen: 
Sollen wir trotz der Beschränkung der Selbständigkeit, welche dieser 
Vertrag mit sich bringt, ihn dennoch annehmen? 
Und auf diese Frage muß ich entschieden mit ja antworten. Ich 
stütze mich nicht auf die Gründe, welche der Herr Vorredner für die An- 
nahme vorgebracht hat, sondern auf die uns vorliegenden Tatsachen. 
Wollen Sie mich aber nicht mißverstehen. 
Ich bin kein blinder Anbeter des Erfolgs. Ich glaube, meine poli- 
tische Vergangenheit gibt dafür Zeugnis. Wenn ich also von der bestim- 
menden Macht historischer Tatsachen rede, so meine ich nicht die großen 
Ereignisse dieses Jahres allein, sondern ich gehe auf die ganze deutsche 
Entwicklung zurück. Und da scheint es mir nun, daß zwei Tatsachen vor 
allem eingewirkt haben, die bayrische Politik in neue Bahnen zu leiten 
und die Stellung Bayerns, wie sie sich in den letzten Jahrhunderten ent- 
wickelt hat, zu modifizieren und Bayern fester an Deutschland anzuschließen.
	        
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