Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

430 Straßburg (1885 bis 1894) 
Berlin, 22. März 1888. 
Bötticher, bei dem ich heute war, beklagte, daß sich die Kaiserin in die 
Geschäfte mische. Sie hätte den Kaiser bestimmt, sich gegen die Unterzeichnung 
des Sozialistengesetzes zu erklären, !) und nur, nachdem Bismarck der Kaiserin 
die Sache dargelegt hatte, gab der Kaiser nach. Er habe wenig Widerstands- 
kraft gegen den Einfluß der Kaiserin, und diese stehe wieder unter dem Einfluß 
einiger fortschrittlicher Frauen, Frau Schrader, Frau Helmholtz und Frau 
von Stockmar. Wenn die Krankheit des Kaisers sich noch lange hinaus- 
zieht, können wir noch allerlei erleben. Wäre der Kaiser gesund oder 
würde er es, so würde der Einfluß der Kaiserin in den Hintergrund treten. 
Schließlich kam ich mit Bötticher überein, daß ich ihn au courant halten 
werde über das, was in Elsaß-Lothringen vorgeht, was er dankbar 
aufnahm. 
Berlin, 24. März 1888. 
Heute Nachmittag fuhr ich vor der Cour zu Bismarck. Ich fand 
ihn wohl aussehend und gesprächig, wenn er auch klagt, daß seine Kraft 
zu Ende sei. Er könne aber nicht fort, da sonst allerlei Tollheiten be- 
gangen werden würden. Wir sprachen von der Vereidigung der Beamten 
und des Landesausschusses. Er meinte, man solle das alles lassen, es 
daure doch nicht lange mehr. Von einer Hoffnung sei nicht die Rede. 
Er bewundert auch den Kaiser, beklagt ihn um so mehr, als man ihm 
erzählt hat, er werde von den englischen Aerzten roh und rücksichtslos 
behandelt. Sie nähmen ihm die Kanüle heraus, um sie zu putzen, ohne 
ihm eine andre einzusetzen. Sie vernachlässigten seine Bequemlichkeit u. s. w. 
Auch die Kaiserin sei hart und rücksichtslos. Wenn alles wahr und nicht 
übertrieben sei, was man erzähle, müsse man einen Staatsanwalt schicken, 
um den Kaiser zu beschützen. Ich blieb nicht lange, weil ich zur Cour 
fahren mußte. Ich fand viele Bekannte, und die Zeremonie ging rasch 
vorüber. Ich defilierte mit dem Feldmarschall Moltke an der Spitze der 
Ritter vom Schwarzen Adler. 
Berlin, 24. März 1888. 
Nachdem ich über acht Tage gewartet hatte, hielt ich es doch für 
nötig, mich noch einmal, und zwar durch den Adjutanten, bei dem Kaiser 
zu melden und schickte deshalb Thaden nach Charlottenburg. Hierauf 
erhielt ich auch sofort den Bescheid, daß ich um 123¾ Uhr kommen sollte. 
Als Wich in Charlottenburg eintraf, war heller Sonnenschein, und das Schloß 
1) Das Geset war vom Reichstage am 18. März in dritter r Lesung ange- 
nommen. Es wurde am 26. März publiziert.
	        
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