Straßburg (1885 bis 1894) 431
sah recht freundlich aus trotz dem Schnee. Auch die inneren Räume
machen einen freundlichen Eindruck. Ich wurde in den ersten Stock hinauf
in einen Saal geführt, der die Aussicht auf den Park hat, und von da
in das Schreibzimmer des Kaisers. Hier war der Kaiser mit der Kaiserin.
Ich fand ihn nicht besonders krank aussehend, nur mager und etwas gelb
und die Augen etwas vorstehend. Wenn man aber näher zusieht, bemerkt
man den leidenden Ausdruck in den Augen. Die Kaiserin entschuldigte
ihre Anwesenheit durch die Notwendigkeit, den Kaiser in der Konversation
zu unterstützen. Es kam zuerst die Rede auf den Tod des Kaisers und
die allgemeine Trauer und Teilnahme in allen Ländern. Ich erwähnte
dann die zahlreichen Mittel, die man ihm empfohlen habe, und die Kaiserin
sagte, sie hätten unzählige Zuschriften erhalten, namentlich Massen von Eau
de Lourdes, „daß wir uns darin baden könnten“. Sie hätte alles den
Klöstern geschenkt. Als die Kaiserin bemerkte, ich sehe wohl aus, er-
widerte ich, daß ich das der Arbeit verdanke, die für die Gesundheit heil-
sam sei; auch glaubte ich, daß die viele Arbeit dem Kaiser wohl tue,
wozu er beifällig nickte. Nur klagte die Kaiserin, der Kaiser könne nicht
an die Luft, worauf ich bemerkte, daß ja die Zimmer sehr hoch und
freundlich seien. Auch werde ja das Wetter bald mild werden. Dann
schrieb der Kaiser seine Teilnahme auf an Peters Tod, den er seit seiner
Kindheit gekannt habe. Als der Kaiser aufgestanden war, um am Kamin
zu husten, fragte mich die Kaiserin: „Nicht wahr, Sie finden ihn nicht
schlecht aussehend?" Ich konnte das bejahen. Dann wurden Besuche
gemeldet, und als ich mich empfahl und meine innigsten Wünsche aus-
sprach, legte mir der Kaiser die Hand auf die Schulter und lächelte weh-
mütig, so daß ich mich kaum der Tränen erwehren konnte. Er machte
mir den Eindruck eines Märtyrers. Und in der Tat ist kein Martyrium
der Welt mit diesem langsamen Sterben zu vergleichen. Jedermann, der
in seine Nähe kommt, ist voll Bewunderung über diese mutvolle und
stille Ergebung in das unvermeidliche und ihm vollkommen klare Geschick.
Ich habe ihn wohl gestern zum letztenmal gesehen.
Berlin, 25. März 1888.
Heute Mittag war ich bei dem Kronprinzen, bei dem ich längere
Zeit blieb. Er fragte, wie es in Elsaß-Lothringen aussehe, erwähnte,
daß sich die Bewohner in der letzten Zeit sehr loyal gezeigt hätten u. s. w.
Wir sprachen dann weiter über die dortigen Zustände und über die
Eventualität eines Kriegs. Dann kam er auf das Kaiserpalais in Straß-
burg, stimmte in das Urteil seines Vaters ein und erklärte sich bereit,
es an ein Museum abzugeben. Dafür müsse dann das Land anderthalb
Millionen zur Herstellung von Zabern und des Schlosses in Straßburg