Straßburg (1885 bis 1894) 439
Elsaß-Lothringen vertreten sei. Wir kamen daher zu dem Beschluß, von
einer Proklamation für Elsaß-Lothringen abzusehen.
Dann sagte ich: „Ich habe nun Eure Majestät noch um eine Gnade
zu bitten, es ist die, daß Eure Majestät es so halten möchten wie Höchst-
ihre Vorgänger, insbesondere Seine Mojestät der hochselige Kaiser Wilhelm,
und, wenn Ihnen in meiner Verwaltung etwas mißfällt, mich sofort per-
sönlich zu Rechenschaft ziehen möchten und direkt.“ Dem stimmte der Kaiser
lebhaft zu. Ich fuhr dann fort: „Der Posten des Statthalters ist" —
hier fiel der Kaiser ein: „ist wenig beneidenswert“, worauf ich fortfuhr:
„wird aber viel beneidet, und es gibt viele Menschen, die danach streben,
die glauben, es besser machen zu können, und denen ich im Wege bin.
Es liegt aber in der menschlichen Natur, daß man denjenigen ungünstig
beurteilt, der einem im Wege ist, und daraus kommen ungünstige Urteile,
die kolportiert und Eurer Majestät zugetragen werden.“ Der Kaiser hörte
aufmerksam zu und versprach dann wiederholt, sich direkt an mich wenden
zu wollen, wenn ihm etwas Nachteiliges über mich zukomme.
Dann sagte er mir, daß das Staatsministerium ihm den Geheimrat
Lucanus im Kultusministerium als Ersatz für Wilmowski vorgeschlagen
und daß er ihn angenommen habe. Wilmowski wußte gestern nichts
davon.
Dann kam er auf die Palaisfrage und beauftragte mich, ihm positive
Vorschläge zu machen, dahin gehend, das Palais in Zabern und die der-
zeitige Bibliothek für den Kaiser einzurichten und aus dem jetzigen Kaiser-
palais ein Museum zu machen. Damit war die Audienz zu Ende.
Ich ging dann zur Kaiserin, die mich sehr freundlich empfing, von
der Krankheit des verstorbenen Kaisers und von anderm sprach. Es scheint,
daß in den letzten Tagen der Geruch furchtbar war, so daß auch für die
Umgebung der Tod eine Wohltat war. Wir sprachen dann von allerlei.
Die Kaiserin erzählte, daß ihre Tante Amalie jetzt in Paris sei und ihr
entrüstete Briefe über den Paßzwang schreibe. Sie sage unter anderm:
„Wenn ihr, wie ihr sagt, keinen Krieg wollt, warum macht ihr solchen
Unsinn?“" Dabei fiel dann doch der Kaiserin ein, mit wem sie sprach,
und sie wurde sehr rot. Ich beruhigte sie aber, indem ich ihr sagte, ich
sei mit ihrer Tante ganz einverstanden. Im Lauf der Konversation erfuhr
ich, daß sich die Kaiserin Augusta bei Kaiser und Kaiserin ganz besonders
günstig über mich ausgesprochen habe und daß ihr also dieser günstige
Umschwung zu danken ist.
Von den kaiserlichen Herrschaften verabschiedet, begab ich mich nach
dem „Einsiedler", wo ich frühstückte und dann um 3 Uhr nach dem
Schloß Friedrichskron.
Dort empfing mich Seckendorff und führte mich hinauf in den ersten