450 Straßburg (1885 bis 1894)
sprachen da eine halbe Stunde. Er fing gleich von Geffcken an und fragte,
ob man nicht in Straßburg das Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten
könne. Ich antwortete, das sei nicht möglich, da die Universität nicht
unter dem Beamtengesetz stehe. Nun meinte er, dann schütze das Gesetz
den renitenten Professor auch nicht, was wohl darauf hindeutete, daß wir
das französische Verwaltungsrecht, nach welchem Professoren pure ent-
lassen werden können, anwenden sollten. Ich erwiderte, daß ich die Sache
mit Puttkamer besprechen würde. (Dieser ist aber, wie er mir heute sagte,
der Meinung, daß dann die Universität geschlossen werden könnte; denn
die Professoren würden nicht bleiben, wenn man sie außerhalb des Ge-
setzes stellte.) Der Reichskanzler erging sich dann in ausführlichen Aeuße-
rungen über die Geffcken-Affäre, meinte, daß man die Sache nicht ruhen
lassen dürfe und erzählte verschiedenes, um nachzuweisen, daß Kaiser Fried-
rich keineswegs der liberale Mann gewesen sei, als den ihn die Fort-
schrittspartei hinstellen wolle. Diese Legende sei für die ganze Dynastie
gefährlich und müsse zerstört werden. Er hat sich augenscheinlich in die
Sache verbissen und will sie nicht loslassen. Ich wurde lebhaft an den
Artikel „Le mort“ im „Figaro“ erinnert. Er machte mir den Eindruck
eines geistig nicht ganz gesunden Mannes. Die Erbitterung in allen
Klassen wächst, und Fürst Bismarck schadet sich mehr als dem toten Kaiser.
Der Großherzog von Baden, der mich heute besuchte, erzählte mir, daß
der Kaiser die Veröffentlichung der Angabe, daß Geffcken den Aufruf des
Kaisers Friedrich gemacht habe, verhindern wollte. Es war aber schon
zu spät. Auch meinte der Großherzog, daß es nicht unmöglich sei, daß
der Kaiser mit Bismarck hintereinander kommen werde, wenn er merke, daß
man ihm nicht alles mitteile. Vorläufig will der Kaiser alles vermeiden,
weil er den Fürsten Bismarck für die Bewilligung der Militärvorlage
braucht.
Im Auswärtigen Amt und in der nationalliberalen Partei herrscht
eine gedrückte Stimmung.
Rede bei dem Diner des Präsidenten des Landesausschusses
am 28. Februar 1889.
Gestatten Sie mir, meine Herren, auf die Trinksprüche des Herrn
Präsidenten zu antworten. Ich sage demselben meinen herzlichen Dank
für die freundlichen Worte, lmit welchen er meiner gedacht hat. Aus
seinem Trinkspruche auf das Wohl des Kaisers entnehme ich die erfreuliche
Gewißheit, daß wir uns eins fühlen in der Treue zu Kaiser und Reich,
wie wir ja auch eins sind in der Sorge und in der Arbeit für das Wohl
des Landes. Sie haben sich, meine Herren vom Landesausschusse, von