Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 153 
Ich komme wieder darauf zurück, was ich Dir damals in Schillings- 
fürst sagte, daß bei Dir der Glaube gleichbedeutend ist mit Ueberzeugung, 
bei den Katholiken ist er die Annahme des von der Kirche Vorgeschriebenen. 
Der Katholik glaubt, wie ich, wenn ich ein homöopathisches Mittel nehme. 
Ich schlucke den Akonit, obgleich ich die Ueberzeugung habe, daß es mir 
nichts nützt. So nimmt der Katholik das Dogma an, wenn er sich auch 
kein Kopfzerbrechen über das ihm unverständliche Dogma macht. Und die 
Jesuiten gehen so weit, immer unsinnigere, von ihnen selbst als solche 
betrachtete Dogmen aufzustellen, weil sie es für heilsam halten, wenn die 
Menschheit sich auch dem unsinnigsten unterordnet. Darauf bezieht sich 
auch der Spruch des heiligen Augustinus: „Im Zweifelhaften Freiheit, im 
Notwendigen Einheit, in allem Caritas!“ Das Notwendige erkenne ich nicht 
im Dogma. Es ist meiner Ueberzeugung nach nicht gut und nicht nötig, 
sein Leben und seine Seligkeit auf der dogmatischen Grundlage aufzubauen. 
Ich meine, daß der fortwährend notwendige Kampf gegen die Sünde in 
und außer uns auch geführt werden kann ohne den Glauben des sech- 
zehnten Jahrhunderts. Der Mensch kann auch ohne diesen Glauben zu 
dem Zustande der freiwilligen Entsagung, der Resignation und der wahren 
Gelassenheit gelangen und die Heftigkeit des Wollens, worin der Keim 
alles Bösen liegt, durch die Verneinung des Willens besiegen. So ist 
dann, wie dies die Mystiker zeigen, „der, in welchem die Verneinung des 
Willens zum Leben aufgegangen ist, so arm, so freudlos und voll Ent- 
behrungen sein Zustand von außen gesehen auch ist, voll innerer Freudig- 
keit und wahrer Himmelsruhe. Es ist nicht der unruhige Lebensdrang, 
die jubelnde Freude, welche heftiges Leiden zur vorhergegangenen oder nach- 
folgenden Bedingung hat, wie sie den Wandel des lebenslustigen Menschen 
ausmachen, sondern es ist ein unerschütterlicher Friede, eine tiefe Ruhe 
und innige Heiterkeit, ein Zustand, zu dem wir, wenn er uns vor Augen 
oder die Einbildungskraft gebracht wird, nicht ohne die größte Sehnsucht 
blicken können, indem wir ihn sogleich als das allein Rechte, alles andre 
unendlich Ueberwiegende anerkennen, zu welchem unser besserer Geist uns 
das große Sapere aude“ zuruft. Wir fühlen dann wohl, daß jede der 
Welt abgewonnene Erfüllung unsrer Wünsche doch nur dem Almosen 
gleicht, welches den Bettler heute am Leben erhält, damit er morgen 
wieder hungere, die Resignation dagegen dem ererbten Landgut: es ent- 
nimmt den Besitzer allen Sorgen auf immer.“ 
Liegt nun in der reinen Kontemplation, die uns vom grimmen 
Willensdrange erlöst und uns aus dem schweren Erdenäther auftauchen 
läßt, die wahre Seligkeit, die dem Menschen zuteil werden kann, so frage 
ich mich, ob nicht auch in der von Dir vertretenen Richtung der Sehn- 
sucht nach einer Erneuerung der Erde, nach dem Anschauen des Sohnes
	        
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