Straßburg (1885 bis 1894) 455
meinderat von Metz für seine liebenswürdige Gastfreundschaft den herz-
lichen Dank auszusprechen. Und da wir heute hier sind zu einem archi-
tektonischen, zu keinem politischen Zweck, so darf ich wohl einen Trinkspruch
auf die Stadt Metz mit einer Erinnerung aus der Kunstgeschichte dieser
Stadt einleiten. Wie ich in einer Schrift über die Geschichte dieser Stadt
gelesen habe, bestand hier noch im Anfang des vorigen Jahrhunderts ein
kunstreich gearbeitetes Kruzifix, zu dem eine Brücke führte; Kreuz und
Brücke waren gebaut von einem frommen Adligen dieser Stadt, vom
Seigneur de Louve, und beide führten den Namen des Stifters, sie hießen
„la croix de Louve“ und „le pont de Louve". Auf diesem Denkmal
hatte der Stifter einen Gebetspruch anbringen lassen, in welchem er Gott
bittet, die Stadt Metz in seinen Schutz zu nehmen, in ihr Eintracht und
Friede zu erhalten und sie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Als Marschall
Belleisle in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Festungswerke
vergrößerte, da wurden Kruzifix und Brücke zerstört, und auch die In-
schrift verschwand. Wohl aber lebt noch der fromme Spruch fort in den
Herzen aller treuen Metzer und in den Herzen aller derer, die es mit Metz gut
meinen. Zu diesen zählen wir uns alle, die wir hier versammelt sind;
wir alle wünschen der alten berühmten Stadt alles Heil. Darum stimmen
auch wir ein in die Worte jener Inschrift: „Due Dieu veuille conserver
la cité de Metz en bonne paix et concorde et union et la garder de
ses adversaires.“ Und damit erhebe ich mein Glas und lade Sie ein, zu
trinken auf die Stadt Metz.
An die Prinzessin Elise.
Grabowo, 19. Mai 1889.
.. Dein Brief hat mich erfreut durch die Wärme der Empfindung,
die Deiner ganzen christlichen Lebensanschauung etwas Gewinnendes auf-
prägt und den Zustand, in dem Du Dich befindest, als etwas Beneidens-
wertes erscheinen läßt. Dabei will ich aber gleich bemerken, daß die Be-
kämpfung des Willens nach meiner Ansicht nicht die Willenslosigkeit der
Apathie sein soll. Ich schätze die Energie des Willens und die Tatkraft
und verwerfe nur den Willen, insofern er mit der Welt identisch ist und
mit ihr bekämpft werden muß, wenn wir zu wahrer Erleuchtung oder
sagen wir „zur Vereinigung mit Gott“ gelangen wollen. Die Klippe
aller philosophisch-religiösen Spekulationen ist aber immer der Gottesbegriff.
Ich komme so lange nicht zur Anerkennung alles dessen, was Du darlegst,
solange ich nicht zu dem Verständnis des Urquells, aus dem alles stammt,
gekommen bin, der ein Postulat der Vernunft ist, über den ich mir aber
ebenso den Kopf zerbreche, wie dies sämtliche Philosophen der Welt ge-
tan haben.