Im Reichstage (1870 bis 1874) 39
Süddeutschlands, hat endlich und vor allem der männliche Entschluß unsers
Königs im Juli dieses Jahres zunichte gemacht, und jene Hoffnungen sind
begraben worden in den Schlachten des Deutschen Krieges und in den
Verträgen von Versailles.
Diese Verträge sind aber richt das Resultat norddeutscher Ueber-
listung oder süddeutscher Schwäche, sie sind — und ich glaube es nach-
gewiesen zu haben — das naturnotwendige Ergebnis einer historischen
Entwicklung, in welche einzugreifen nicht dem einzelnen Individuum und
nicht Staaten von der Größe Bayerns vergönnt ist.
Was nun den Vertrag in seinen Teilen betrifft, so will ich nicht
näher darauf eingehen, um so mehr, als ich nicht die Absicht habe, Ab-
änderungen in Vorschlag zu bringen oder denselben, wenn sie gemacht
werden sollten, zuzustimmen.
Ich gestehe übrigens offen, daß mir der Wert mancher der in dem
Vertrage enthaltenen Reservatrechte für Bayern selbst mehr als zweifelhaft
erscheint. Ich hätte gewünscht, daß weniger Gewicht auf die Sicherung
des Partikularismus, auf Erhaltung einzelner Institutionen und Gesetz-
gebungsbruchteile für die spezifisch bayrische Regierungstätigkeit, als dar-
auf gelegt worden wäre, daß in der deutschen Gemeinsamkeit nach födera-
tivem Prinzipe überall die Teilnahme Bayerns an der Verwaltung der
gemeinsamen Angelegenheiten gewahrt geblieben wäre.
Ich will aber, wie gesagt, keine Kritik üben, ich will vielmehr nicht
versäumen, auszusprechen, daß die Männer, welche diesen Vertrag unter
schwierigen Verhältnissen zustande gebracht, sich ein großes Verdienst er-
worben haben; denn der Vertrag in seinen einzelnen Teilen tritt zurück
vor der großen Tatsache des neugegründeten Deutschen Reiches. Hier ist
der Keim einer großen Zukunft für Deutschland gelegt, und die hochherzige
Initiative unsers Königs und die unverzögerte Zustimmung der deutschen
Fürsten gibt die Bürgschaft, daß das neue Deutsche Reich auch wirklich
Wesen und Inhalt gewinnen wird. Wenn unser heutiges Votum dazu
beiträgt, daß ein Deutsches Reich geschaffen wird mit starker Zentral-
gewalt und freigewählter Volksvertretung, wenn von nun an an die Stelle
ruheloser und unfruchtbarer Sonderbestrebungen eine deutsche Politik tritt,
an der wir loyal und ehrlich mitarbeiten, wenn, wie Seine Königliche
Hoheit!) mit Recht bemerkt haben, eine feste Gestaltung des Deutschen
Reiches die Möglichkeit gewährt, mit dem österreichisch = ungarischen Nach-
barreiche dauernde freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen, welche die
einzige Garantie für den europäischen Frieden sind, wenn ferner von nun
1) Bezieht sich auf die Rede des Prinzen Ludwig von Bayern, der vor dem
Fürsten gesprochen hatte.