Straßburg (1885 bis 1894) 459
des Kaisers und hält die Reise nach Athen (die, wie ich von Fürstin Betsy
hörte, den griechischen Hof ruiniert) für überflüssig. Nach der Audienz
ging ich in den Salon und traf dort Frau von Knesebeck, die Hofdamen,
einige Gäste und Fürstenstein, mit denen ich dinierte. Nach Tisch ließ
sich die Kaiserin wieder in den Salon hineinfahren, sprach noch kurze Zeit
mit mir und entließ mich dann, damit ich noch zur rechten Zeit zum Diner
ins Schloß käme. Ich war auch schon um 7 Uhr oben, wo ich die sämt-
lichen Herrschaften mit Ausnahme der Kronprinzessin von Schweden fand,
die unwohl war. Nach Tisch hatte ich ein längeres Gespräch mit dem
Großherzog, der sich über Bismarck beklagte. Dieser sei gegen ihn erbittert,
weil er dem Kaiser Gelegenheit gegeben habe, sich über die Schweiz günstig
auszusprechen, und noch wegen andrer Dinge. Der Großherzog sagte dann:
„Der Kaiser hat den Fürsten auch bis hierher“ — dabei zog er die Linie
nicht am Hals, wie dies gewöhnlich bei dieser Redensart geschieht, sondern
an den Augen. Ebenso sei ihm Herbert zuwider. Ich meinte: „Ja, er
hat ihn ja nach Athen mitgenommen,“ — worauf der Großherzog sagte:
„Ja, er ist nun einmal da!“ Der Kaiser wolle sich jetzt, solange er ihn
noch für die Bewilligung der Militärvorlage brauche, nicht mit ihm über-
werfen. Später werde er ihn nicht mehr halten.
Berlin, 12. Dezember 1889.
Gestern war musikalische Soiree im Muschelsaal. Am Büfett beglück-
wünschte ich den Kaiser wegen seiner Frankfurter Rede. 1) Das gefiel ihm,
und er sprach lange mit mir. Erst von der improvisierten Rede, dann
von Frankfurt und dessen großer Entwicklung unter Miquels Leitung, von
allen Verbesserungen, die er mache, von der Benutzung der Wasserkraft
durch elektrische Leitungen und dem Nutzen, den dies den kleinen Gewerbe-
treibenden bringe, u. a. Dabei machte er Ausfälle auf den Magistrat und
die Stadtverordneten von Berlin. Er erwähnte die sozialdemokratischen
Wahlen für die Stadtverordnetenversammlung und sagte, man werde es
in Berlin noch so weit bringen, daß die Sozialdemokraten die Mehrheit
haben würden. Dann würden diese die Bürger plündern, ihm sei dies
gleichgültig, er werde Schießscharten in das Schloß machen lassen und zu-
sehen, wie geplündert werde. Dann würden ihn die Bürger schon um
Hilfe anflehen.
Dann sprach er vom Kaiserdenkmal. Er verwirft das Mausoleum
von Hildebrand. Dies kostet zuviel. Mehr als 12 Millionen könne man
nicht aufwenden, und jenes koste 120 Millionen, schon wegen des Wertes
1) Vom 12. Dezember auf den Oberbürgermeister Miquel und die Stadt
Frankfurt.