466 Straßburg (1885 bis 1894)
daß der Kaiser ihn über kurz oder lang bitten werde, zurückzukommen,
wies er dies zurück: das wolle er nicht, diese drei Wochen noch einmal
durchmachen. Hier würde ich ihn, schloß er, nicht wiedersehen, wenn ich
aber nach Varzin oder Friedrichsruh kommen wolle, sei ich willkommen.
Auch von unsrer langen gemeinsamen politischen Tätigkeit sprach er und
riet mir, dafür zu sorgen, daß sich der Kaiser nicht zu viel um Elsaß-
Lothringen bekümmere. Ich möchte ihm aus dem Gesichte bleiben. Das
ist leichter gesagt als getan.
Holstein und Berchem haben Herrn von Marschall in Vorschlag
gebracht, nachdem Alvensleben abgelehnt hat. Es scheint, daß Marschall
annimmt. Er ist jedenfalls besser als alle Diplomaten im Auslande und
kennt die hiesigen Verhältnisse.
Straßburg, 31. März 1890.
Heuduck, der heute bei mir war, erzählt, daß der Kaiser den
kommandierenden Generälen mitgeteilt habe, warum Fürst Bismarck weg-
gegangen sei. Die Frage der Kabinettsorder und die maßlose Weise, in
der er gegen den Kaiser aufgetreten sei, hätten es ihm unmöglich gemacht,
länger mit dem Fürsten zusammenzugehen. Es sei besser, meinte der
Kaiser, daß die Trennung jetzt geschehe, wo man noch auf friedlichem Wege
auseinander kommen könne, als daß ein ernster Konflikt ausbreche. Dann
sagte der Kaiser den Generälen, Rußland wolle Bulgarien militärisch be-
setzen und dabei die Neutralität Deutschlands haben. Der Kaiser sagte,
er habe dem Kaiser von Oesterreich versprochen, ein treuer Bundesgenosse
zu sein, und werde dies halten. Die Besetzung Bulgariens durch die
Russen sei der Krieg mit Oesterreich, und er könne Oesterreich nicht im
Stiche lassen. Es scheint mehr und mehr, daß die Meinungsverschieden-
heit zwischen dem Kaiser und Bismarck über die russischen Pläne zum
Bruche geführt hat. Bismarck wollte Oesterreich im Stiche lassen. Der
Kaiser will mit Oesterreich gehen, selbst auf die Gefahr hin, mit Rußland
und Frankreich in einen Krieg verwickelt zu werden. Daraus erkläre ich
mir die Aeußerungen Bismarcks, der sagte, der Kaiser treibe Politik in
der Weise Friedrich Wilhelms IV. Das ist der schwarze Punkt in der
Zukunft.
Straßburg, 21. April 1890.
Heute fuhr ich mit Marie nach Karlsruhe, wo wir uns angemeldet
hatten und zum Frühstück erwartet wurden. Der Großherzog kam zu
uns in die Zimmer, wo wir abgestiegen waren, um uns zur Großherzogin
zu führen. Hier wurde von allerlei gesprochen und auch vom Rücktritt
des Reichskanzlers, über den der Großherzog seine besondere Befriedigung
zu erkennen gab. Er sagte, es habe sich zuletzt nur darum gehandelt,