Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 467 
ob die Dynastie Bismarck oder die Dynastie Hohenzollern regieren solle. 
Hätte der Kaiser diesmal nachgegeben, so hätte er jede Autorität verloren, 
und alles würde lediglich nach Bismarck geblickt und ihm gehorcht haben. 
Das sei nicht mehr zum Aushalten gewesen. Ueber den Artikel in den 
„Hamburger Nachrichten“ !) war er ganz empört und nannte ihn eine 
Infamie. Der Artikel sei nicht gegen Caprivi, sondern gegen den Kaiser 
gerichtet. Ich fragte den Großherzog, wie seine letzte Unterredung mit 
dem Fürsten Bismarck verlaufen sei. Er erzählte, er sei eingetreten und 
habe dem Fürsten gesagt, er komme, um Abschied zu nehmen und zu sagen, 
daß er sich stets der Zeit, in welcher sie gemeinschaftlich für das Wohl 
Deutschlands gearbeitet hätten, mit Dankbarkeit erinnern werde. Der Fürst 
sagte dann, daß es die Schuld auch des Großherzogs sei, wenn er jetzt abgehe, 
denn die Befürwortung der Arbeiterschutzgesetzgebung durch den Großherzog 
bei dem Kaiser habe zum Bruche zwischen dem Kaiser und Bismarck bei- 
getragen. Dies bestritt der Großherzog, indem er darauf hinwies, daß es 
preußische Angelegenheiten gewesen seien, die die Meinungsverschiedenheit 
zum Bruch geführt hätten, und in preußische Angelegenheiten habe er sich 
nie eingemischt. „Hierauf wurde Bismarck grob,“ — was er gesagt hat, 
teilte der Großherzog nicht mit — und da stand denn der Großherzog auf 
und sagte, er könne sich das nicht gefallen lassen, wolle in Frieden von ihm 
scheiden und gehe mit dem Ruf, in den auch der Fürst einstimmen werde: 
„Es lebe der Kaiser und das Reich!“ Damit war die Besprechung 
zu Ende. 
Straßburg, 26. April 1890. 
Am 23. Abends 9 Uhr fuhr ich mit Thaden und Moritz nach 
Hagenau, um dort den Kaiser zu erwarten. Wir brachten den Abend 
beim Kreisdirektor Clemm zu, ich legte mich um 11 Uhr in einem Fremden- 
zimmer aufs Bett und schlief bis ½1 Uhr. Moritz und Thaden fuhren 
auf die Bahn, um sich im Waggon umzuziehen. Um 1 Uhr war ich 
wieder auf dem Bahnhof, wo der Kaiser pünktlich eintraf. Ich stellte 
ihm die Herren vor und überwies General Hahnke dem Baron Char- 
pentier und Leutnant Cramer, die diesen auf den Balzplatz führen sollten. 
Dann fuhr ich mit dem Kaiser nach dem Jägerhaus bei Sufflenheim. 
Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde, während welcher der Kaiser ohne 
  
1) Die „Hamburger Nachrichten“ brachten eine ungünstige Beurteilung der 
ersten Rede Caprivis im Abgeordnetenhause am 15. April, bestritten demnächst, daß 
dieser Artikel vom Fürsten Bismarck herrühre, erklärten aber dabei, daß Fürst 
Bismarck nicht auf Beziehungen zur Presse verzichte, da er es für seine Pflicht 
halte, seine Meinungen dem deutschen Volke nicht vorzuenthalten. Auch werde er 
im Herrenhause und unter Umständen auch im Reichstage seine Meinung ver- 
treten.
	        
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