Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (I885 bis 1894) 471 
mit der Abtretung von Helgoland zufrieden sein können. Dazu kommt, 
daß, wie Münster geschrieben hat, die Stimmung in England uns sehr 
ungünstig war, da wir in der Kolonialpolitik die Engländer in un— 
gewohnter Weise auf die Hühneraugen getreten hatten. Wir waren also 
der Gefahr ausgesetzt, daß sich England an Frankreich und Rußland an- 
geschlossen hätte, was für uns ganz gefährlich geworden wäre. Münster 
schreibt auch, daß Herbert Bismarck sich in London ziemlich leidenschaftlich 
über „the dismissal of my father“ geäußert habe. « 
Berlin, 13. August 1890. 
Am Montag dem 11. kam ich hier an und gab am 12. Vormittags 
das vom Kaiser bestellte Memoire !) ab. Bis heute Nachmittag hörte ich 
nichts vom Hofe. Dann kam eine Einladung nach Bellevue zum Souper. 
Zuvor aß ich bei Caprivi mit Reuß, Bülow, Münster, Schlözer, Waldersee 
und einigen Geheimräten. Caprivi informierte ich über unfre russische 
Angelegenheit. 
Um 8 Uhr fuhr ich nach Schloß Bellevue und soupierte mit dem 
Kaiser, der Kaiserin, den Hofdamen, den Adjutanten und Pückler. Nach 
dem Souper sprach ich längere Zeit mit dem Kaiser. Ueber die allgemeine 
Politik äußerte sich der Kaiser befriedigt. Den Russen traut er nicht. 
Daß man ihn in Reval aussteigen lassen will, ist ihm unangenehm, weil 
dann deutsche Demonstrationen zu erwarten seien. Er hat sein möglichstes 
getan, dies zu verhindern, und wollte bis Narva fahren. Man hat aber 
in Petersburg an Reval festgehalten. Abmachungen werden nicht statt- 
finden. Was mir der Kaiser über Rußland sagte, war sehr vernünftig. 
Ueberhaupt fand ich, daß er viel nachgedacht hat und die politische Lage 
ruhig beurteilt. Ich sagte ihm, daß man in Europa Vertrauen zu ihm 
habe, was er zugab. 
Berlin, 11. November 1890. 
Da ich von Berlin auf mein Schreiben an den Kaiser und an Lucanus 
keine Antwort bekam, die Angelegenheit des Bischofs?) aber nicht länger 
hinausgeschoben werden konnte und ich wissen mußte, ob ich vorgehen 
könnte, so entschloß ich mich, hierher zu reisen. Ich habe verschiedene 
Kandidaten, kann aber keine ernsten Unterhandlungen anfangen, ehe ich 
die kaiserliche Ermächtigung habe und ehe ich mit Caprivi Rücksprache 
genommen habe. 
Heute um 10 Uhr war ich bei Caprivi und fand ihn in der Bischofs- 
frage sehr unbefangen. Er ist in allem mit mir einverstanden, will auch 
  
1) Ueber die Angelegenheit der russischen Güter. 
2) Wahl eines Nachfolgers für den am 10. August verstorbenen Bischof Stumpf.
	        
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