Im Reichstage (1870 bis 1874) 41
Heute kam er nun wieder und sagte, er habe jene Unterhaltung an
Graf Beust mitgeteilt, worauf ihm der Reichskanzler einen ausführlichen
Brief geschrieben habe, den er mitbrachte und mir vorlas. Darin wieder-
holt Graf Beust, wie sehr es im Interesse Oesterreichs sei, gute Be-
ziehungen zu Deutschland zu haben, und wie diese Politik nicht das
Resultat vorübergehender Anschauungen, sondern vielmehr das Ergebnis
politischer Notwendigkeit sei. Eine staatsrechtliche Verbindung hält Graf
Beust nicht für ausführbar, glaubt aber, daß sich auch ohne diese eine
Verständigung erzielen lasse. Er beauftragt Bruck, mich davon in Kenntnis
zu setzen.
Bruck führte mündlich den Gedanken weiter aus und bat mich, in
Berlin dahin zu wirken, daß irgend etwas geschehe. Vielleicht könne man
auf dem Wege des Handelsvertrags seitens Preußens schon den guten
Willen bekunden. Uebrigens sei jeder Weg, der zu dem Ziele dauernder
Verständigung führe, gleich genehm. Beust wolle nur deshalb nicht auf-
fallende entgegenkommende Schritte tun, um sich nicht dem Vorwurf aus-
zusetzen, daß er sich jetzt aus Furcht vor der preußischen Macht beuge.
Jedes Entgegenkommen werde aber dankbar angenommen und erwidert
werden. Man sei in Oesterreich von der Notwendigkeit, mit Deutschland
zu gehen, durchdrungen, und keine Partei, selbst die Tschechen nicht, würde
dagegenarbeiten. Er erbot sich, wenn Graf Bismarck irgendeinen Vor-
schlag zur Anbahnung eines günstigen Verhältnisses mache, denselben auf
dem Privatwege zu übermitteln.
An den Grafen Münster.
München, 10. März 1871.
Verehrtester Graf!
Sie hatten die Güte, mir in Ihrem geehrten Schreiben vom 18. v. M.
Ihre Ansichten über eine neue Parteibildung im kommenden Reichstage mit-
zuteilen, wofür ich Ihnen meinen herzlichen Dank ausspreche. Da ich nun
keineswegs sicher war, in den Wahlbezirken, in welchen man mich als
Kandidaten aufgestellt hatte, gewählt zu werden, so mußte ich meine Ant-
wort bis zum Abschluß der Wahl1) verschieben, will aber nun nicht
länger zögern.
Was Sie mir über die bisherigen Fraktionen der Konservativen und
Freikonservativen sagen, war mir als Charakterisierung der Persönlich-
keiten äußerst interessant, und finde ich darin die teilweise Bestätigung
meines nur auf flüchtige Bekanntschaft gegründeten Urteils. Ich glaube,
1) Die Reichstagswahlen hatten am 3. März stattgefunden. Fürst Hohenlohe
war in dem Wahlkreise Forchheim-Kulmbach gewählt worden.