478 Straßburg (1885 bis 1894)
und jeden Deutschen dahin zu bringen, daß er seine Pflichten gegen das
allgemein Deutsche anerkennt“?
Journal.
Berlin, 22. Mai 1891.
Der Reichskanzler hatte mir heute die Stunde um 2 gegeben. Ich
ging deshalb hin und fand ihn liebenswürdig und vertrauensvoll wie
immer.
Ueber den Paßzwang sagte Caprivi, man habe damals etwas tun
müssen und deshalb die Verschärfung angeordnet. Jetzt aber könne man
wieder etwas milder verfahren. Ich machte auf den Unterschied zwischen
dem anfänglichen Verfahren, das nun wieder eingeführt ist — die Er-
örterung der Bedürfnisfrage — und der milden Praxis — die Erwägung,
ob Bedenken vorliegen — aufmerksam und fragte, ob wir dazu wieder zurück-
kehren könnten. Er bejahte dies, und als ich darauf aufmerksam machte,
daß ich dann die Offiziere auf den Hals bekommen würde, meinte er, das
gehe die Militärs nichts an, er werde sie schon zurückweisen. Freilich, was
die französischen Offiziere betreffe, müsse man nach wie vor streng sein.
Baden, 5. Juli 1891.
Als ich heute zu einer Besprechung verschiedener Angelegenheiten beim
Großherzog war, kam derselbe auch auf den Paßzwang und äußerte sich
auf das bitterste über diese Maßregel. Die Einführung derselben sei nach
seiner Ansicht eine sinnlose gewesen, die neuerliche Verschärfung überflüssig
und deshalb schädlich, weil dies Verstimmung im Reichslande verursache
und die Elsässer in die Arme der Franzosen treibe. Wir machten uns
nur lächerlich und schädigten das Ansehen des Reichs im Auslande. Ich
erwiderte, daß ich ganz damit einverstanden sei, selbst aber keinen Antrag
beim Kaiser stellen könne, ohne sofort von meinen militärischen Gegnern
verleumdet zu werden. Das sah der Großherzog ein, gab mir aber zu
erwägen, ob es nicht zweckmäßig sein würde, wenn er an den Reichs-
kanzler schriebe, ihm seine Gründe gegen die Fortdauer des Paßzwangs
darlegte und darauf hinwiese, daß gerade der Augenblick günstig sein
würde, den Kaiser zu einer Kundgebung zu veranlassen, die ein Zeichen
der Macht und der Stärke sei. Ich erklärte mich damit einverstanden
und bat ihn, den Brief zu schreiben, was er auch sofort tun will.
. Baden, 5. Juli 1891.
Heute geht mein Badeaufenthalt hier zu Ende, nachdem ich eine
Woche hier zugebracht habe. Ich habe jeden Tag ein sogenanntes Wildbad
genommen und zwei Gläser des faden heißen Wassers getrunken und kehre