Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

484 Straßburg (I885 bis 1894) 
angeblich um der silbernen Hochzeit beizuwohnen, im Grunde aber nur, 
um den Kaiser von dem Besuche in Berlin abzuhalten.“ Abends war ich 
wieder in Potsdam, wo Chelius Klavier spielte. Beim Souper saß ich 
neben dem Kaiser. Lehndorff, Brandenburg, Werder und verschiedene Erb- 
großherzoge nahmen an der Soiree teil. Der Kaiser sagte mir zum Ab- 
schied, ich sollte ihn benachrichtigen, wenn er zur Auerhahnjagd nach dem 
Elsaß kommen könne. 
Heute ging ich um 12 Uhr zu Geheimrat Göring, um zu fragen, ob 
ich Caprivi sehen könnte. Er führte mich auch sofort hinein, und ich 
gratulierte dem Reichskanzler zu seinen parlamentarischen Erfolgen. Auch 
erzählte ich ihm von meinen Gesprächen mit dem Kaiser und daß ich den 
Eindruck gewonnen hätte, daß der Kaiser sehr zufrieden mit der parla- 
mentarischen Kampagne Caprivis sei und großes Vertrauen zu ihm habe. 
Caprivi war darüber sehr erfreut. Als ich Caprivi erzählte, daß Schuwalow 
ihn einen „trop honneste homme“ nenne, sagte er, das komme daher, 
daß Bismarck mit Rußland einen Vertrag gemacht habe, durch den wir 
Rußland freie Hand in Bulgarien und Konstantinopel garantieren, und 
Rußland sich verpflichtet, im Kriege mit Frankreich neutral zu bleiben. 
Dieser Vertrag war abgelaufen, als Caprivi ins Ministerium trat, und 
den hat er nicht wieder erneuert, weil das Bekanntwerden desselben den 
Dreibund gesprengt haben würde. Ich fürchte, daß uns Oesterreich das 
nicht danken wird. 
Ueber die Kanalfrage sagte er nur, daß er die politischen Einwände 
gegen die Vertiefung fallen lasse. Wir können also, wenn der Landes- 
ausschuß die Vertiefung votiert, zustimmen. Was Bismarck anbetrifft, so 
sagt er, wenn dieser wieder Einfluß gewinne, könne er (Caprivi) nicht 
bleiben. Uebrigens werde die Rückkehr Bismarcks den Oesterreichern so 
viel Mißtrauen einflößen, daß der Dreibund daran scheitern müßte. 
Rede des Fürsten bei dem Diner zu Ehren des Landesaus- 
schusses am 24. Februar 1892. 
Meine Herren! Wenn ich mir gestatte, Sie heute wieder mit einigen 
Worten zu begrüßen und freundlich willkommen zu heißen, so kann ich 
nicht umhin, mich des Tages zu erinnern, an welchem ich Sie im ver- 
gangenen Jahre in gleicher Weise um mich versammelt sah. Damals 
sprach ich von dem Vertrauen, das zwischen den Vertretern des Landes 
und der Regierung bestehe und gab zugleich der Hoffnung Ausdruck, daß 
es in nicht zu ferner Zeit möglich sein werde, zu normalen Zuständen 
zurückzukehren und den Wünschen des Landes, die sich in einer bestimmten 
Richtung kundgegeben hatten, gerecht zu werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.