Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

486 Straßburg (1885 bis 1894) 
sammen hätten, um „freie Schulen“ zu gründen. „Und da versichern mir 
die Minister, daß die Katholiken kein Geld haben, um freie Schulen zu 
gründen!“ Ich erwähnte den Bischof von Straßburg und seine Absicht, 
nach Berlin zu kommen. Der Kaiser sagte: „Das ist ein sehr braver 
Mann.“!) 
Mittwoch, 6. April 1892. 
Gestern Nachmittag war ich bei Caprivi, dem ich sagte, daß ich mich 
freue, ihn noch im Amte zu sehen. Er erwiderte, es habe nur an einem 
Haar gehangen, daß er gegangen wäre. Es sei schwer, im Amte aus- 
zuharren. Bezüglich der Krisis sagte er, daß dieselbe vermieden worden 
wäre, wenn der Kaiser mit ihm vor dem Kronrat gesprochen hätte; dann 
hätte er ihm sagen können, daß sich alles zur Befriedigung mit dem Schul- 
gesetz lösen könne. Eine Verständigung war bereits angebahnt. Der Kaiser 
spreche viel mit allerlei Leuten, was an sich ganz gut sei; er äußere sich 
dann aber oft im Widerspruch mit seinen offiziellen Kundgebungen, und 
daraus entständen Mißverständnisse. In der auswärtigen Politik sei 
alles ruhig. Die Franzosen seien so ruhig, wie sie überhaupt sein könnten. 
In Rußland habe man durch Schuwalow eine Zollverständigung anknüpfen 
wollen. Durch die Krankheit von Giers sei aber die Sache verhindert 
worden und Schuwalow sei unverrichteter Dinge zurückgekommen. Die 
Wahlen in England würden wohl Gladstone wieder ans Ruder bringen. 
Doch werde Rosebery das Auswärtige bekommen und dieser die Politik 
Salisburys fortsetzen. Der Einfluß Englands in Konstantinopel nehme ab. 
Was die Beziehungen zu Rußland erschwere, sei die ungünstige Meinung 
über unsern Kaiser, die sich nach dem „Figaro“ bilde. Er sprach dann von 
Köller und fragte, ob ich ihn für geeignet zum Minister hielte, was ich 
bejahte. Uebrigens ist vorläufig nicht mehr die Rede davon, ihn zu berufen. 
Berlin, 10. April 1892. 
Auf der Straße begegnete mir heute General von Alvensleben, der 
frühere kommandierende General in Stuttgart. Er hielt sich verpflichtet, 
mir auch über die traurige Lage vorzujammern und meinte, wie der „Reichs- 
bote“, daß man früher immer auf die Energie und Festigkeit des Kaisers 
gebaut habe, was nun vorbei sei, nachdem er das Schulgesetz aufgegeben 
habe und die Liberalen den Sieg davongetragen hätten. Ich erwiderte, 
daß er falsch berichtet sei. Der Kaiser habe von Anfang an das Schul- 
gesetz mißbilligt und habe nur seinen Ministern nachgegeben, aber in der 
ganzen Zeit wiederholt dagegen gesprochen und die Minister gewarnt. 
Wenn Caprivi und Zedlitz auch ihren Prinzipien getreu das Schulgesetz 
  
1) Bischof Dr. Fritzen.
	        
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