Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

488 Straßburg (1885 bis 1894) 
„Nur fürchten dort die Leute, daß Bismarck wiederkommen könnte.“ 
„Da können sie ruhig sein,“ antwortete der Kaiser lachend, „der kommt 
nicht wieder. Ich habe ihm sagen lassen, daß ich eine schriftliche Erklärung 
haben will. Die wird er nicht geben.“ 
6 Berlin, 23. Juni 1892. 
Der gestrige Tag brachte das Dejeuner bei Caprivi um 1 Uhr, das zu 
Ehren des italienischen Ministers Brin gegeben wurde. Es waren da die 
Bundesratsmitglieder und einige Beamte. Brin ist ein Mann in mittleren 
Jahren, behäbig aussehend wie ein französischer Bankdirektor. Ich wurde 
mit ihm bekannt gemacht und sprach einige Worte mit ihm, wobei ich mich 
überzeugte, daß ihm die französische Sprache trotz seines französischen 
Namens nicht sehr geläufig ist. Nach dem Frühstück ging ich in Böttichers 
Garten, wo ich den Einzug des Königs von Italien mit dem Keiser sah. 
In der Königgrätzer Straße war das Publikum ziemlich teilnahmlos. 
Am Brandenburger Tor soll es lebhaft und sympathisch gewesen sein. 
Berlin, 24. Juni 1892. 
Heute war hier alles in Aufregung durch das Interview Bismarcks 
mit dem Korrespondenten der „Neuen Freien Presse“. Die Börse ist infolge- 
dessen beunruhigt, weil man aus den Aeußerungen Bismarcks auf Krieg 
schließt. Bleichröder erzählte mir, er sei vor zehn Tagen in Friedrichsruh 
gewesen und habe Bismarck abgeraten, nach Wien zu gehen. Dieser habe 
aber gesagt, das sei eine beschlossene Sache. Er hatte von Herbert Nach- 
richt, daß der Kaiser von Oesterreich ihn empfangen würde, und wollte 
der Familie der Schwiegertochter damit eine Satisfaktion bereiten. Daher 
seine Wut, die sich in dem Interview Luft gemacht habe. Bleichröder 
beklagt dieselbe und fürchtet, nun werde sich der Kaiser zu irgendeiner 
Maßregel gegen Bismarck hinreißen lassen, was ein großer Fehler, ja eine 
Gefahr sein würde; Bismarck habe im Volk noch immer einen großen 
Anhang. Gegen Caprivi habe Bismarck einen großen Haß. Er wirft 
ihm sogar vor, daß Caprivi bei der „Reichsglocke“ gegen ihn gearbeitet habe, 
was Bleichröder für einen Unsinn erklärt. Bleichröder hat Bismarck 
gefragt, wer denn an Caprivis Stelle treten solle, ob Eulenburg oder 
Waldersee. Darauf habe Bismarck geantwortet, Waldersee könne jetzt 
nicht Reichskanzler werden, weil das in Rußland und Frankreich als Krieg 
gedeutet werden würde. Eulenburg werde die Sache führen können. 
Wien, 27. Juni 1892. 
Drei Fragen waren es, über die ich hier Erkundigungen einziehen 
wollte:
	        
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