Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

490 Straßburg (1885 bis 1894) 
mich umzog, und fuhr dann mit Konstantin in die kaiserliche Villa. Der 
Adjutant geleitete mich sofort zum Kaiser, der mich sehr freundlich empfing. 
Ich dankte ihm für den Brief, den er mir auf meine Eingabe bezüglich 
der Fabrikanlagen in Alt-Aussee geschrieben hatte, 1) entschuldigte mich, daß 
ich mich in diese Sache eingemischt hätte und hob noch einmal mündlich 
die Nachteile des Projekts hervor. Der Kaiser schien ziemlich informiert, 
nannte die ganze Sache einen höheren Schwindel und versicherte, daß man 
Mittel finden werde, die Unternehmung zu hindern. 
Dann erkundigte sich der Kaiser nach der Organisation von Elsaß- 
Lothringen, die ich ihm (Bezirkspräsidien, Ministerium, Landesausschuß) 
erklären mußte. Er fragte: „Sie stehen unter dem Reichskanzler?“ Ich 
antwortete: „Nein, unter dem Kaiser, dem Reichskanzler stehe ich gleich.“ 
Worauf der Kaiser erstaunt „oho!“ erwiderte. Dies führte auf die Be- 
ziehungen des Statthalters zum Reichskanzler und auf Bismarck, von dem 
der Kaiser sagte: „Es ist traurig, wie ein solcher Mann so tief sinken 
kann.“ Von Caprivi sagte er: „Gott gebe, daß dieser Mann noch lange 
auf seinem Posten verbleibe!“ Er erkundigte sich dann nach der Reise 
des Kaisers ins Reichsland, schien vollkommen orientiert über die Manöver 
in Lothringen und Baden, sprach dann von der Seefahrt des Kaisers, die 
demselben immer sehr gut tue, und gab seinem Interesse für unsern Kaiser 
in einer wohlwollenden verwandtschaftlichen Weise Ausdruck. Nach einer 
viertelstündigen Audienz entließ mich der Kaiser, und ich ging hinunter in 
den Salon, wo ich Konstantin, Paar und die Hofdamen und Adjutanten 
fand. Bald darauf erschien der Kaiser mit der Erzherzogin Valerie, und 
nach den Vorstellungen ging man zu Tisch. Ich saß rechts neben der 
Erzherzogin, Konstantin links, der Kaiser gegenüber zwischen den zwei 
Hofdamen. Nach Tisch ging man auf eine Terrasse im Garten, wo 
geraucht wurde. Hier sprach der Kaiser zu mir von unfsrer russischen An- 
gelegenheit. 
Um 4 Uhr zogen sich die Herrschaften zurück. Ich zog mich um und 
blieb dann in der „Post“ mit Konstantin bis zur Abfahrt. Konstantin 
begleitete mich bis Hallstadt, und um ½9 Uhr war ich zu Hause. 
Werki, 17. August 1892. 
Sonnabend den 13. kamen wir in Berlin an. Am Sonntag früh 
ging ich zu Caprivi, der mich mit gewohnter Freundlichkeit empfing. Wir 
kamen bald auf Bismarck zu sprechen, und Caprivi sagte, er sei stolz 
  
1) Der Fürst hatte sich im Interesse der Bewohner von Aussee an den Kaiser 
gewendet, um die Konzessionierung von Fabrikanlagen zu hintertreiben, durch welche 
die landschaftlichen Reize der Gegend zerstört worden wären.
	        
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