Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Straßburg (1885 bis 1894) 491 
darauf, die Angriffe des Alt-Reichskanzlers vom Kaiser ab und auf sich 
gezogen zu haben, indem er die bekannten Erlasse veröffentlichte.) 
Am Montag dem 15. fuhr ich nach dem Marmorpalais. Ich wartete 
lange mit Eulenburg und den Hofdamen. Dann kam die Kaiserin und 
etwas später der Kaiser. Er sah frisch und munter aus. Während der 
Tafel erkundigte sich der Kaiser nach der Ernte in Elsaß-Lothringen und 
war sehr erfreut über die guten Nachrichten, die ich ihm geben konnte. Er 
erwähnte unfre günstige Finanzlage und sagte: „Eigentlich sollte immer der 
Ueberschuß dem Kaiser zur Verfügung gestellt werden.“ Dann wandte er sich 
zu dem Admiral von der Goltz und sagte: „Die Elsässer könnten uns wohl 
ein Schiff bauen.“ Ich sagte, ich wäre eher der Ansicht, das Schloß 
in Zabern auszubauen. Nach Tisch auf der Terrasse kam die Rede auf 
Bismarck. In der längeren Unterredung sagte der Kaiser: „Wenn die Leute 
glauben, daß ich Bismarck maßregeln, etwa nach Spandau schicken werde, so 
irren sie sich. Ich denke nicht daran, aus Bismarck einen Märtyrer zu 
machen, zu dem die Leute wallfahren würden.“ Weiter erzählte der Kaiser, er 
habe neulich Herrfurth gesprochen und ihm gesagt: „Sie haben doch allen 
Ministerialsitzungen beigewohnt. Habe ich in der ganzen Zeit etwas getan, 
was Bismarck verletzen konnte und ihm Anlaß gab, gegen mich aufzutreten?“" 
Darauf habe Herrfurth gesagt, alle Minister seien im Gegenteil erstaunt 
gewesen, mit welcher Langmut und Geduld der Kaiser die Grobheiten 
Bismarcks ertragen habe. Ich sagte dann noch dem Kaiser, daß ich sicher 
sei, er werde in Diedenhofen gut empfangen werden. Sollte also das 
Manöver sich so wenden, daß man Diedenhofen berühre, so möge man 
es mir sagen, daß wir die nötigen Vorbereitungen treffen könnten. 
Noch ist nachzutragen, daß der Kaiser auch die Behauptung Bismarcks, 
er stehe so gut mit dem Kaiser von Rußland, berührte und lachend sagte: 
„Der Kaiser hat mir gesagt, er habe alles Vertrauen zu Caprivi, wenn 
dagegen Bismarck ihm etwas gesagt habe, so hätte er immer die Ueber- 
zeugung gehabt, „qu'il me tricherait“.“ 
Berlin, 5. September 1892. 
Gestern früh kam ich nach einer bequemen Nachtfahrt von Eydt- 
kuhnen hier an. Um ½12 Uhr ging ich zu Caprivi, dem ich für sein 
Telegramm dankte. Er sagte mir, die Frage der Sistierung der Manöver 
sei noch nicht entschieden. Die Cholera verbreite sich nach und nach von 
Hamburg nach dem übrigen Deutschland weiter, auch sei schon ein von 
  
1) Durch den „Reichsanzeiger“ vom 7. Juli wurden ein Erlaß an alle Gesandt- 
schaften vom 23. Mai, betreffend Bismarcks Preßfeldzug, und vom 9. Juni an den 
Botschafter in Wien, betreffend die von diesem einzunehmende Haltung bei Bismarcks 
Besuch in Wien, veröffentlicht.
	        
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