496 Straßburg (1885 bis 1894)
Reichslande empfahl und ihn bat, mir für vorkommende Fälle seine Unter-
stützung in Rom zu gewähren. Er versprach mir, meinen Wünschen jeder-
zeit entgegenkommen zu wollen. Daran knüdpfte sich eine längere Unter-
redung, in der er als seine in Rom zu verfolgenden Ziele die Bekämpfung
des französischen Einflusses und die Versöhnung mit Italien bezeichnete.
In ersterer Beziehung meinte er, daß man seitens der französischen Bischöfe
und der französischen Partei in Rom die Altersschwäche des Papstes be-
nutzt habe, um ihn in den unheilvollen Weg der Annäherung an die
französische Republik zu drängen. Galimberti dagegen sieht das Heil in
der Versöhnung mit Italien und in der Anlehnung an den Dreibund.
Wie die Versöhnung zu bewerkstelligen sei, ist ihm noch nicht klar. Der
Wunsch der Ultramontanen, dem Papst Rom zurückzugeben, sei jetzt nicht
mehr zu erfüllen. Italien identifiziere sich mit Rom. Indessen werde sich
ein Ausweg finden lassen. Die meisten italienischen Bischöfe, der ganze
italienische Klerus überhaupt seien italienisch gesinnt; er hoffe deshalb zahl-
reiche Freunde zu finden. Es schien mir, als rechne er bestimmt darauf,
Rampolla zu ersetzen und dann seine Pläne zu verwirklichen, wenn er sich
auch über die Macht seiner Gegner keinen Illusionen hingibt. Jedenfalls
hat das Deutsche Reich an ihm einen ergebenen Freund.
Journal.
Karlsruhe, 13. Januar 1893.
Donnerstag den 5. reiste ich von Straßburg ab mit dem Orient-
expreßzug, der um 4½ Uhr abgeht. Um 9 Uhr kam ich in Wien an.
Konstantin erwartete mich im Hotel. Wir sprachen noch eine Zeitlang
über Viktors Krankheit, und dann ging ich zu Bett. Am andern Tag,
dem 6., blieb ich in Wien und besuchte den Nunzius.
Am andern Morgen, Sonntag dem 7., fuhr ich mit Max Ratibor nach
Rauden. Wir kamen um 8 Uhr in Hammer an, wo wir einen ge-
schlossenen Wagen fanden, der uns wegen der großen Kälte willkommen
war. Ich besuchte nach der Ankunft noch Viktor, den ich angegriffen
fand, aber nicht besonders verändert. Er hatte Nachmittags den Geist-
lichen kommen und sich versehen lassen, was ihm ein Bedürfnis gewesen
war, ihn aber doch etwas affiziert zu haben schien. Nachmittags sprach
ich mit Nothnagel, der von Wien gekommen war und der mir seine sehr
ungünstige Diagnose mitteilte. Die zwei Tage, die ich in Rauden blieb,
verliefen wie gewöhnlich. Viktor nahm viel Anteil an den Gesprächen,
sein Aussehen war besser, und meine Anwesenheit schien ihm wohltuend.
Ich reiste Dienstag früh mit schwerem Herzen ab und fuhr mit Max nach
Wien, wo ich einen Tag bleiben mußte, weil ich den Orientexpreß nicht
mehr erreicht hatte. Konstantin und Chariclée erwarteten uns auf dem